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Feueraugen I. Das Dorf

Feueraugen I. Das Dorf

Titel: Feueraugen I. Das Dorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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verschwunden, hören sie eine Stimme, die beruhigend auf eine andere einredet; angenehm melodisch, mittlere Lage und volltönend die eine – scharf, kratzig fast, sehr hoch und sich überschlagend die andere.
    Zwei kleine Reisetaschen landen plötzlich auf der Treppe vor dem Eingang der Herberge und im nächsten Augenblick erscheint die Wirtin.
    "So, hier ist Ihr Gepäck, mein Herr! Und jetzt machen s', dass Sie wegkommen von hier." Die Stimme der untersetzten Frau überschlägt sich mehrmals.
    "Aber gute Frau ... jetzt beruhigen Sie sich doch endlich. Dieser peinliche Zwischenfall ist auch mir sehr unangenehm gewesen. Aber das kann man doch regeln."
    Die angenehme, ruhige Stimme gehört zu einem Herrn im hellen Trenchcoat, der jetzt im Türrahmen erscheint. Er trägt eine dunkle Sonnenbrille und einen zum Mantel passenden hellen Hut. Die ganze Erscheinung nimmt im ersten Augenblick für sich ein, wirkt schlicht aber elegant.
    "X!" ruft Baldwin aus, wie er den Mann sieht. "Das ist eine Überraschung!"
    Das ist es wirklich!
    Alles trennt sich von dem umfunktionierten Leichenwagen und eilt auf die Herberge zu. Die Wirtin wird gar nicht weiter beachtet. Die Baldwinschen umringen den Herrn im Trenchcoat und der Regisseur begrüßt ihn überschwänglich.
    "Baldwin! Was für ein Glück, dass wir Sie noch erreicht haben. War schwer genug herauszufinden, wo dieses Dorf überhaupt liegt. Und dann erzählte mir diese gute Frau, dass Sie die Nacht über nicht hier gewesen sind." X deutet auf die Wirtin, deren Gesicht sich vor Ärger puterrot gefärbt hat.
    "Und ich freue mich, dass Sie sich's doch noch mal überlegt haben, mein guter Freund!" erklärt Baldwin.
    Unterdessen hat der Besitzer der Herberge noch zwei weitere Koffer herangeschleppt. Mit ihm zusammen verlassen zwei Frauen das Gebäude. Die größere der beiden wirkt recht burschikos. Ihr millimeterkurz geschnittenes Haar und die mit funkelnden Edelsteinen besetzte Brille in Katzenaugenform sind den Baldwinschen ein Begriff.
    "Miss Lama! Sie auch?" Baldwin ist außer sich vor Freude und begrüßt Dalia Lama mit ausgebreiteten Armen.
    Die junge Frau an Miss Lamas Seite ist eine jener Erscheinungen, die auf belebten Straßen von den lüsternen Blicken aller Männer verfolgt werden, die keine Baustelle ohne ein eindeutiges Pfeifkonzert passieren können. Und man muss das verstehen, denn selbst der dicke Rollkragenpullover, den sie hier trägt, verhüllt nichts von ihren üppigen Reizen. Er betont ihre vollen Formen so sehr, dass sogar Baldwin einen wohlwollenden Blick riskiert. Michel seinerseits fragt sich, wie das Mädchen denn im Sommer gekleidet sein mag. Schließlich braucht ein T-Shirt ja nicht zu wärmen - wie dieser Pullover.
    "Das ist eine Bekannte Miss Lamas. Fräulein Emmanuelle Killmayer – eine ausgebildete Schauspielerin aus München." So stellt X die Unbekannte vor.
    Emmanuelle Killmayer lächelt in die Runde und ihr schelmischer Blick entdeckt sofort den höchst erfreuten Michel.
    "Wieso Emmanuelle … wenn … Sie doch aus Bayern kommen?" erkundigt sich Zeramov, der seinen Notizblock in der Hand hält.
    "Oh, mei' Mutter is aus Frankreich kemma … hat s' mir jedenfalls verzählt!"
    Baldwin ist das nicht weiter wichtig. Wie einer heißt, war ihm noch nie eine längere Überlegung wert.
    "Einfach wunderbar! Unsere Mannschaft ist komplett! – Sogar mehr als das: aufgestockt! Haha, wunderbar!" Baldwin strahlt übers ganze Gesicht. "Sie sollten nur noch etwas an ihrem Dialekt feilen, meine teuerste Emma … ich darf Sie doch Emma nennen, das ist kürzer … denn wir sind ein multikulturelles Ensemble. Nicht jeder versteht das Bayerische so gut wie unser lieber Alexej. Er ist sozusagen ein Landsmann von Ihnen."
    "Des g'freit mi!" juchzt Emmanuelle-Emma mit einem wohlwollenden Seitenblick auf den bärtigen Brillenträger mit dem Notizblock in der Hand.
    Dann erinnert Baldwin sich plötzlich daran, dass ihnen Rodolphe verloren gegangen ist und seine gute Laune endet so abrupt, wie sie sich entwickelt hat. Verständlicherweise kümmert man sich weder um den Wirt noch um die Wirtin, die beide noch immer dastehen und nicht begreifen, was mit ihnen geschieht. Reichlich verunsichert drehen die beiden schließlich ab und kehren in die Herberge zurück.
    Während Baldwin das rätselhafte Verschwinden des Kulissenbildners ausführt, spaziert die ganze Gruppe –wirr durcheinander redend- hinüber zum Wagen des Mr. X.
    "... und Hunger haben wir, mein Lieber - kaum noch

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