Feueraugen I. Das Dorf
seinen Bericht an einen -übrigens nicht mit Namen genannten- Freund in Wien geschickt haben. Weiter ist nichts bekannt."
"Und wann das alles soll gewesen sein, konn man nicht sagen, Herr Baldwin?" fragt der Doktor.
"Den letzten Anhaltspunkt, den ich habe, ist eine kurze Notiz von diesem unbekannten Jemand. Sogar datiert: Kap der Guten Hoffnung, März 1945." antwortet Baldwin.
Eine Gesprächspause tritt ein. Jeder scheint für sich zu überlegen, ob man dieser Handvoll Ungereimtheiten wirklich gewisse Bedeutung beimessen dürfe – genügend, um hier draußen herum zu irren und vagen Andeutungen auf den Grund zu gehen. Andererseits beginnt sich eine zweiflerische Unruhe in ihre Gedanken einzunisten. Was, wenn es sich hier eben nicht um eine Legende handelt ... sondern um einen horrenden, wenn auch historischen Tatsachenbericht?
Sicherlich wären Michel und der von Skepsis nie ganz frei und Ricci bald mit irgendwelchen heiklen Fragen gegen Baldwin losgegangen, da hat Zeramov seinerseits eine Entdeckung gemacht.
Er ist ja vorhin von seinem wütenden Chef vertrieben worden. Ein kleiner Spaziergang im sich jetzt immer merklicher und rasch lichtenden Nebel hat ihm bald keinen Spaß mehr gemacht. Auf dem Rückweg ist er dann wieder an Rodolphes Lagerplatz gekommen und hier ...!
"Mr. Baldwin ... Chef!" Zeramov rennt herbei und beginnt bereits im Lauf von seiner Entdeckung zu berichten. "...das ist geradezu unglaublich! Ganz nah bei Rodolphes Motorrad ist etwas ... da hab ich … hab ich … einen ... einen … Meilenstein entdeckt!" Keuchend steht er schließlich vor Baldwin.
"Einen Meilenstein? - Das ist doch unmöglich, Alexej. Weit und breit ist hier keine ausgebaute Straße zu sehen. Und der Weg, den wir gestern genommen haben, führt in einiger Entfernung an Rodolphes Lagerplatz vorbei."
"A Meilenstein?" Dr. Glücklich reißt die Augen auf. "Mit Zohlen drauf und oben drin a Kerbe?"
"Kommen Sie mit ... sehen sie ihn sich doch an!" Zeramov zerrt den Arzt mit sich davon - die anderen folgen ihnen nach.
Wie Dr. Glücklich den Meilenstein 'erkennt' und erwähnt, dass er von eben einem solchen geträumt habe, werden alle unruhig.
"An welcher Stelle ihres Traumes ist der Meilenstein vorgekommen?" forscht Baldwin. Dass Dr. Glücklich einen so bedeutsamen Traum gehabt haben will, beunruhigt ihn sehr.
"No gleich am Anfang hob ich einen geseh'n. Da standen die Zahlen '43' und '44' drauf - wie auf dem da. Und später ... vor dem Schloss ... da war noch a anderer mit '1' und '2' ... in der Nebelbresche." stammelt der Träumer.
"Einmalig, Chef! Wenn das so weitergeht, bekommen wir den kompletten Filmstoff ohne Rachass je gesehen zu haben." jubelt Zeramov. Seine Begeisterung teilt allerdings niemand.
"Wirklich sonderbar!" finden alle.
"Chaim hat also von einem Meilenstein geträumt, der hier im freien Feld steht und den es eigentlich gar nicht geben dürfte. Er hat von einem Gegenstand geträumt, der hier Realität ist. Rodolphes Hinweise auf unser bevorstehendes Abenteuer haben einen Albtraum bewirkt ... und doch steckt mehr dahinter." sagt Zeramov.
"Wie eine Vision ..." erkennt Marlène.
"Ganz recht, ma chère!" Michel ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass der Doktor Traumvisionen hat, die zuletzt Wirklichkeit werden könnten. Außerdem kennen sie alle immer noch nicht den Traum. Im Übrigen kommt es ihm so vor, als wüsste Baldwin immer noch mehr als er ihnen verraten hat.
"Wir sollten ins Dorf zurückfahren und ein paar Erkundigungen einholen." schlägt der Signore jetzt vor. "Vielleicht gab es hier einmal eine ausgebaute Straße oder einen in früheren Zeiten viel benützten Weg."
"Stimmt … so mancher Römerweg wurde durch Zufall entdeckt." bemerkt Ricci. "Außerdem sollten wir uns genauer über die angebliche Lage des Schlosses informieren. Was haben Sie vorhin angedeutet? Dass es auf einem Berg oder Hügel liegen muss? Bisher haben wir aber genau genommen noch keine einzige Erhebung in dieser Ebene bemerkt."
"Mademoiselle Lableue hat wie immer recht. Fahren wir zurück ins Dorf. Dort können wir weitere Schritte planen." Michel legt seinen Arm um ihre Schultern und streicht ihr anerkennend übers Haar. Selbst nach dieser unbequemen Nacht sieht die Französin blendend aus.
"Ja ... sowieso müssen wir erst einmal ordentlich frühstücken." Baldwin klopft sich dabei auf seinen unübersehbaren Bauch. "Cassius, hup' noch mal. Rodolphe könnte wirklich langsam zurückkommen."
Cassius klemmt sich hinters
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