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Feueraugen I. Das Dorf

Feueraugen I. Das Dorf

Titel: Feueraugen I. Das Dorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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erst jetzt die Anwesenheit des Krämers.
    "Na, was für eine freudige Überraschung!" Baldwin klopft dem sehr misstrauisch dreinblickenden Mann auf die Schulter.
    "Gott der Gerechte ... wo hom Sie denn gesteckt?" will Dr. Glücklich wissen.
    "Ich war ... ich war im Haus!" erwidert der Krämer.
    "Jedenfalls ist es ein Glück, dass man Sie im Dorf nicht erwischt hat. Die Leute waren sehr aufgebracht gegen sie!" stellt der Signore fest. Der Krämer wirft dem Italiener einen vielsagenden Blick zu - fast wie ein Hund, der seinen Herrn ansieht, von dem er eben noch verprügelt worden ist und jetzt einen Leckerbissen als Belohnung dargereicht bekommt.
    "Jetzt würde ich aber wirklich für eine Mahlzeit plädieren. Wenn ich schon vor Hunger fast sterbe, dann frage ich nicht erst, wie Ihr Euch fühlen müsst. Seit gestern habt Ihr fast nichts gehabt." X winkt Zeramov zu sich. Zusammen breiten sie das große Laken, unter dem sich der Krämer versteckt gehalten hat, auf dem Boden aus.
    Sofort beginnen alle mit dem Herbeischaffen der eingekauften Waren.
    Baldwin macht sich daran, ein Lagerfeuer zu entzünden. Cassius schafft unermüdlich Reisig und mittelstarke Zweige herbei, doch auch nach einer Viertelstunde haben die Baldwinschen noch immer keinen sichtbaren Beweis für die große Pfadfindervergangenheit ihres Chefs. Es raucht und stinkt erbärmlich.
    "Versuchen sie's doch mal mit trockenen Zweigen, Chef!" höhnt Zeramov.
    'Zur Strafe' muss sich anschließend der Drehbuchautor um das Feuer kümmern. Baldwin nimmt sich das Lamm vor und erbittet von X die Gewürze, die man eingekauft hat.
    Wenig später sitzt man im Kreis um die improvisierte Tafel und greift tüchtig zu. Als Sitzkissen dienen ihnen Plastiktüten und Kleidung.
    "Guten Appetit!" wünscht Baldwin seinen Leuten. Seinem Tonfall ist es noch anzumerken, wie sehr er sich darüber geärgert hat, dass Zeramovs Feuer innerhalb kürzester Zeit hohe Flammen gezeigt hat und jetzt bereits der Holzspieß mit dem Lamm über der knisternden Glut hängt. Ein paar Schritte von ihrem Essplatz entfernt brutzelt es und der Grillduft, der sie umgibt, verdoppelt ihren ohnehin schon großen Appetit.
    Bis auf einige scherzhafte ('Stellt Euch vor: diese Wurst hat tatsächlich einen Fleischanteil von 45 %') oder auch kritische ('Das sollen Matjes-Filets sein? Die armen Heringe!') Kommentare zum Essen wird es ruhiger. Man witzelt zwischen zwei Bissen, doch alle sind hungrig und es wird erst einmal konzentriert gegessen.
    "Nehmen Sie sich doch auch etwas!" fordert Baldwin den Krämer auf, der schweigend bei ihnen sitzt und vor sich hin starrt.
    "Ja, greifen Sie zu!" Ricci winkt mit einer halben Salami. "Ottimo ..." der weitere Redefluss geht im begeisterten Verkosten der Wurst unter.
    Als der Grillbraten angeschnitten werden kann, gibt es viel Applaus. Zartes, saftiges Fleisch wird verteilt und der Appetit der Mannschaft scheint mit jedem Bissen zu wachsen.
    Zuletzt schenkt X einen kräftigen Kräuterschnaps aus. Hat man schon zum Essen etliche Flaschen Wein geleert, so kann man über diesen Tropfen nur staunen.
    "Formidable, X! Woher stammt der denn?" Michel schenkt sich ein zweites Gläschen nach.
    "Davon befindet immer eine Kiste in meinem Wagen. Nach einem reichhaltigen Mahl sehr wohltuend, nicht wahr?"
    "Yes, indeed!" auch Dalia ist begeistert.
    "Nach dem Essen sollst Du ruh'n oder tausend Schritte tun!" fällt Emma Killmayer eben ein und lacht anschließend. Irgendein Folgegedanke muss ihr besonderen Spaß machen. Da sie Michel dabei ansieht, erklärt auch, warum Baldwin mit seiner Version der 'Après-Diner' Regeln ihre Belustigung anheizt:
    "Nach dem Essen kann man auch rauchen ..."
    "Trinken, rauchen, huren ... war da noch was?" witzelt Zeramov.
    "A verninftiger Mensch sollt' ihnen gar nicht zuheren." Dr. Glücklich sieht den Drehbuchautor tadelnd an.
    "Was ist schon Vernunft?" der Signore lacht kurz auf. "Wer ist schon vernünftig? - Wir doch bestimmt nicht!"
    "Das will ich auch meinen. - Und sie, mein lieber Krämer? Sind Sie vernünftig?" fragt Baldwin sein neues Mitglied in der Mannschaft.
    "Ich zweifle daran." antwortet der ohne langes Zögern. "Wie sonst kann man es erklären, dass ich hier bei ihnen sitze?"
    "Sehr gut gefolgert. Aber ... lassen Sie sich trotzdem keine grauen Haare drüber wachsen. Es lebe die Unvernunft!" johlt Michel, der schon beim Wein kräftig über den Durst getrunken zu haben scheint. Jetzt hockt er im Schneidersitz da und gestikuliert unaufhörlich.

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