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Feueraugen I. Das Dorf

Feueraugen I. Das Dorf

Titel: Feueraugen I. Das Dorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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Emma Killmayer neben ihm hat ebenfalls schon gut getrunken. Kein Wunder, dass die beiden die Köpfe immer weiter zusammenstecken.
    "Si, viva l'irragione!" Der Signore hebt sein Schnapsglas hoch und prostet dem strahlend blauen Himmel zu. Die anderen beeilen sich, es ihm gleich zu tun. X füllt rasch die leeren Gläser nach. Dann lassen sie gemeinsam –hörbar überzeugt- die Unvernunft hoch leben.
    Der Krämer sitzt währenddessen wie zuvor zwischen ihnen: reglos und niedergeschlagen.
    "Nicht so traurig, guter Mann!" rät Zeramov. "So schlimm wird's schon nicht werden."
    "Wir gehen ja doch alle irgendwann einmal zugrunde." johlt Michel. "Also, bitte etwas mehr Freude am Exzess! Vive le déclin ... vive la révolution ... vive la mort!"
    "Der Tod ist aber kein Exzess!" kontert Marlène.
    "Sondern?" Emma beugt sich etwas vor und kippt dann gleich zur Seite. Sie hat das Gleichgewicht verloren und hält sich jetzt an Michel. Ihren Kopf in seinem Schoss hört sie Marlène zu: "Der Tod ist eine Norm!"
    "Nonsenso! Entweder ist der Tod die Norm oder keine! Mehrere Normen gibt es nicht, bella donna!" mischt sich der Signore ein.
    "Völliger Blödsinn!" kontert da Zeramov. "Es gibt überhaupt keine Norm. In diesem Wort leitet jeder Buchstabe über zu dem verwandten Adjektiv 'normal' ... und das wäre der glatte Hohn. Was ist schon normal? Wenn man darüber nachzudenken beginnt, landet man unweigerlich im Irrenhaus und käme schön langsam zu der Einsicht, dass es des Menschen Normalverhalten sein könnte, in Irrenanstalten zu landen ... also die Norm!"
    "Schön gesprochen, mein Gutester - aber völlig blödsinnig!" Baldwin schlägt die Hände über dem Kopf zusammen.
    "Natürlich! Denn wohin führt es denn, wenn wir damit anfangen, nach Normalitäten zu suchen? Es wäre eine endlose, beziehungsweise sehr ernüchternde Suche.
    "Meine Norm ist's jedenfalls ..." Michel erhebt sich leicht schwankend, "... nach dem Essen was fürs Gemüt zu tun. Und bei der Auswahl, die ich hier habe ... drei charmante Damen ... also ... wen darf ich bitten, mir Gesellschaft zu leisten?"
    So bringt Michel das Thema zum Ausgangspunkt zurück: die Frage nach sinnvoller Betätigung zur Krönung einer Mahlzeit.
    "Ich find' zwar, dass dös mehr nach 'ner Gewohnheit aussieht, als nach 'ner Norm ... aber: Ich hab' Lust!"
    Marlène ist vor Wut unfähig, auch nur ein Wort zu sagen und Dalia Lama zeigt sich ganz unmissverständlich schockiert! Wie diese Emma Killmayer in ihrem hautengen Pullover schon aussieht und wie sie sich jetzt erhebt ... frech lachend aufspringt ...!
    'Schlampe!' denkt sich Baldwin, aber er greift nicht ein.
    "Formidable! Ma belle ... après vous ... bitteschön!" Michel führt Emma zum Wagen des Mr. X, der dem Kenner wohl als der geräumigste erscheint. Während sich Emma und der charmante Franzose zurückziehen, kommen die Übrigen wenigstens zu der Einsicht, dass sie Rodolphe fast schon wieder vergessen haben.
    "Nicht ganz zwar ... aber eben doch länger als entschuldbar!" findet Baldwin und beginnt auch gleich wieder mit dem Gejammer um seinen genialen Mitarbeiter. Nie werde er ihn je wiederfinden - was solle er nur ohne seinen Rodolphe machen?
    "Zuerst einmal sollten wir uns besprechen." schlägt X vor. "Sie wissen wahrscheinlich mehr als ich, Baldwin. Andererseits wäre es zu begrüßen, wenn wir alle gleichviel wüssten."
    "Eine hervorragende Idee! Vielleicht schaffen wir auf diese Weise endlich einmal Klarheit. Bisher weiß ich nämlich noch immer nicht, worum es hier wirklich geht!" diese Anklage des Signore trifft Baldwin, der längst bereut hat, von Anfang an mehr als nötig verschwiegen zu haben.
    "Dann schlage ich vor, dass wir der Reihe nach erzählen." Zeramov zückt seinen Notizblock, als er dies sagt. "Ich werde alles mitschreiben und zum Schluss mixen wir unser gesamtes Wissen kräftig durch. Wenn sich einer nicht mehr auskennt, kann er mich dann fragen, was wir alle zusammen wissen."
    Baldwin kann diesem Gedankengang zwar nur mühsam folgen, dennoch beginnt er als Erster. Da er diesmal wirklich ganz offen spricht, wird die ganze Geschichte von vorne aufgerollt – nun endlich lückenlos.
    Die beiden Schriften in Dublin und Wien bezeichnen den Ausgangspunkt. Einige weitere Dokumente kommen hinzu und heizen Baldwins Interesse an. Schließlich können sie alle verstehen, warum sich ihr Chef an der Sache fest gebissen hat. Letzte Zweifel räumt ein kurzer Vers aus, den Baldwin rezitiert.
    "Es handelt sich offenbar um

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