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Feueraugen I. Das Dorf

Feueraugen I. Das Dorf

Titel: Feueraugen I. Das Dorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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– ein und dieselbe Person? Wäre das möglich?
    "Die Angelegenheit verspinnt sich zu einem undurchdringlichen Dickicht an Widersprüchen und Ahnungen. Nein, so kommen wir auch nicht weiter!" sagt Zeramov. "Ich bin dafür, dass uns jetzt der Krämer erzählt, was er von dieser Feueraugen-Legende weiß."
    Damit sind alle einverstanden und der Krämer wird gedrängt, ihnen sofort und ohne unnötige Ausschmückungen, kurz und prägnant, all sein Wissen zu vermitteln.
    Für einen Augenblick ist es völlig ruhig – ein ungewöhnlicher Zustand, wenn Baldwin mit seinen Leuten zusammensitzt. Nur ganz im Hintergrund zwitschern ein paar Vögel ... auch zwei Menschen, die sich wohl auf den letzten Metern ihrer Leibesertüchtigung 'nach dem Essen' befinden. Aber keiner achtet darauf, wie der schwere Wagen des Mr. X wippt und schaukelt.
    Schließlich hat sich der Krämer gesammelt und er beginnt mit seiner Geschichte:
    "Sie wissen inzwischen von der Familie, die früher einmal draußen auf der Ebene einen Hof gehabt hat. Das waren die Gents. In alten Urkunden werden sie noch 'Tu Gents' genannt, aber der Name wurde im Lauf der Jahrhunderte gekürzt. Der Urstamm der Familie wurde bei dem Massaker während der Kriegszeit ausgelöscht. Aber Nachkommen gibt es noch viele - von den Nebenlinien der alten Familie.
    Als vor langer Zeit die ersten Gents –damals natürlich noch Tu Gents genannt- in die Gegend kamen, gab es zwei Brüder. Der eine wurde zum direkten Vorfahren jener, die immer den Hof bewirtschaftet haben. Der andere ist sozusagen mein eigener Urahne! Er gründete irgendwann unser Dorf.
    Und jetzt wird es vielleicht für Sie interessant. Die beiden Gent-Brüder hatten einen gewaltigen Streit. Es ging um irgendwelche Besitzansprüche, wenn ich mich recht erinnere. Genaues weiß ich leider nicht mehr ... ist auch nicht so wichtig. Bei diesem Streit kam es in der Folge zu einem Kampf und der ältere der Brüder brachte den jüngeren um. Die Familie des Erschlagenen wollte die Tat sühnen. Der Mörder wurde gewarnt und flüchtete – verfolgt von den Männern aus der Familie seines Bruders und einigen Männern aus dem Dorf. Sie trieben ihn weit auf die Ebene hinaus. In der Nacht mussten sie dann die Verfolgung einstellen. Am Tag darauf suchten sie überall, doch der Mann war nicht zu finden. Tagelang noch suchte man ihn überall und gab sich schließlich damit ab, dass er die Gegend verlassen hätte.
    Es war am Abend vor dem Tag, an dem sich der Tod des jüngeren Bruders zum ersten Mal jährte. In der Dämmerung durchritt ein vermummter Reiter im Galopp das Dorf und sprach eine furchtbare Drohung aus."
    "Ist überliefert, was er gesagt hat?" zum ersten Mal wird der Krämer an dieser Stelle kurz unterbrochen. Zeramov schreibt eifrig in seinen Notizblock und will wohl gerne ein paar 'Drohworte' in seine Skizze aufnehmen.
    "Nein, leider nicht. Auch mein Großvater hat diese Szene nur ganz kurz gestreift. Bekannt ist lediglich, dass die Leute den Reiter auslachten und davon trieben. Am nächsten Morgen dann .."
    "Moment! Stopp!"
    "Was ist denn, Alexej. Kommen Sie mit ihren Notizen nicht nach?" Baldwin ärgert sich, dass Zeramov gerade jetzt zum zweiten Mal unterbricht.
    "Ich ... mir ist eine Idee gekommen. Dieser unbekannte Reiter hat den Dorfbewohnern eine Drohung überbracht und ich könnte mir vorstellen, wie sie im Wortlaut gewesen ist!"
    Jetzt treibt Zeramov die Mannschaft ganz im Stil seines Chefs an. Er möchte ihnen demonstrieren, wie das damals gewesen ist und dazu braucht er ihre Mitarbeit. Auch Emma und Michel sind inzwischen wieder bei ihnen und sie werden, obwohl noch ganz schmusig, genau eingespannt wie die anderen.
    "Passt auf. Ihr seid die Dörfler, die Wagen stellen die Häuser dar. Es ist Abend und Ihr seid unbekümmert. Da erscheine ich in mörderischem Galopp als unbekannter Reiter. Auf meinem schnaubenden und wiehernden Rappen sitzend, schleudere ich Euch diese famose Drohung entgegen. Ihr lacht mich aus und ich verschwinde wieder. Achtung ... los geht's!"
    "Cassius, Film ab!" Baldwin winkt dem Kameramann und der richtet mit dem erwarteten "OK!" die Kamera auf die 'unbekümmerten Dörfler'. Bis auf ihn selbst, der ja filmen soll, Zeramov als Reiter der Nacht und den Krämer spielen alle Baldwinschen die Statisten im Dorf; etwas müde vom langen Tag auf dem Feld, keineswegs ausgelassen – verhaltene Gespräche.
    Zeramov, der sich einige Meter weit entfernt hat, kommt jetzt in wildem Galoppel-Lauf  zurück.

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