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Feueraugen I. Das Dorf

Feueraugen I. Das Dorf

Titel: Feueraugen I. Das Dorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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Wiehern und Schnauben perfekt nachahmend umkreist er die drei Wagen und bleibt dann tänzelnd vor Baldwin und X stehen. Toll, wie er das Schnauben des erhitzten Gauls hinbringt.
    Mit drohender Stimme beginnt er nun zu rezitieren:
    "Wo dunkle Nacht mit fahlem Taglicht streitet – dorthin, Brüder, müsst Ihr seh'n. Wenn Hufschlag hallt und Xaber Dracer reitet - ja, dann, Brüder, müsst Ihr flieh'n. Denn wo die Dornenfelder blüh'n und blut'ge Fahnen weh'n – und wo die Feueraugen glüh'n ... dorthin, Brüder, wird ER zieh'n."
    Unter schauerlichem Gelächter wendet er sich dann wiehernd und schnaubend ab und hoppelt davon. Das Gelächter ist sein eigenes gewesen, denn keiner seiner Zuhörer hat sich nach dieser Demonstration auch nur zu einem Lächeln durchringen können.
    Als Zeramov dann langsam zurückkommt, sind alle sehr verlegen. Die Vorführung hat einen überaus starken Eindruck hinterlassen.
    "Angenommen, Tu Gent der Flüchtige hat diesen Vers erdacht ... dann kommen wir in der Sache schon wieder ein Stück voran, wie? Er hat ein paar Gefolgsleute gefunden, schreibt den Vers auf und einer seiner Rachebrüder lernt ihn auswendig, reitet ins Dorf und ... was kommt dann, Krämer?"
    "Ja, erzählen Sie die Geschichte zu Ende, lieber Freund. Alexejs Idee könnte den Kern getroffen haben. Aber sehen wir, was es sonst noch gibt." Baldwin winkt seinen Leuten und man nimmt wieder Platz an der improvisierten Tafelrunde. "Cassius, hör' doch endlich auf zu filmen. Die Vorstellung ist vorbei."
    "OK!" Cassius setzt sich, legte die Kamera beiseite und der Krämer nimmt seine Erzählung auf.
    "Der nächste Tag brach an. Dichter Nebel hing über der Ebene. Die ersten Erwachenden konnten kaum das Haus ihres Nachbarn sehen, so dicht war der Nebel. Plötzlich wird Hufschlag laut – Hufschlag wie von hundert Pferden. Und bevor die Leute alle richtig wach sind, brennen schon die ersten Häuser. Eine Schar Reiter fällt über alles her, was sich bewegt. Frauen und Kinder werden niedergemetzelt und die Männer, die sich zur Wehr setzen, können nur geringen Widerstand bieten.
    Der Spuk dauerte nicht lange. Ebenso plötzlich wie die mordenden Reiter erschienen waren, verschwanden sie wieder draußen im dichten Nebel auf der Ebene. Das Dorf stand in Flammen und viele der Bewohner waren tot. Es blieb nur der Nebel, der alles einhüllte."
    "Eine richtige Gruselgeschichte!" stammelt Baldwin.
    "Si, molto orribilante!" Ricci ist erschüttert.
    "Oui, mais ... nur eine Legende, nicht wahr?" versucht Michel zu verharmlosen.
    "Gott der Gerechte! Und alle warn se tot?" forscht Dr. Glücklich.
    "Natürlich nicht! Die Reiter hatten sich nicht Haus für Haus vorgenommen. Von beiden Familien Tu Gent überlebten Männer und Frauen. Wie sonst sollte ich mit ihnen verwandt sein."
    "Natürlich ... das hatten wir beinahe vergessen!" Baldwin nickt dem Krämer zu.
    "Trotzdem eine kurze Zwischenfrage: was hat die ganze Geschichte mit unserem Schloss zu tun?"
    "Molto bene, X ... diese Frage wollte ich schon die ganze Zeit stellen." der Signore hebt dazu seinen Finger schulmeisterlich vors Gesicht und kräuselt die Augenbrauen. "Das Schloss kam in der Geschichte nicht vor! Oder geht's noch weiter?"
    "Ja ... es kommt jetzt eine Sache, zu deren Verständnis sie Sie aber diese Geschichte kennen mussten." sagt der Krämer.
    "Ob wir zum Verständnis einer Sache Erklärungen brauchen, hätten Sie auch abwarten können. Wenn wir was nicht verstehen, fragen wir schon!"
    Alle pflichten Michel bei.
    "Dann mal voran. Spannen Sie uns nicht unnötig auf die Folter!" Baldwin klatscht in die Hände. "Auf geht's!"
    "Folgendes muss ich vorwegnehmen!" Damit beginnt der Krämer wieder. "Mein Großvater hatte viele Geschichten für uns Kinder, aber er erzählte jede einzelne auf möglichst unkomplizierte Weise – jede für sich, auch wenn sie noch so sehr miteinander verwoben waren. Wir sollten ja alles verstehen. Einmal nur brachte er die Legende der Brüder Tu Gent mit einer alten Sage in Verbindung, die sehr viel älter war.
    Der ältere Tu Gent floh -wie erwähnt- in die Ebene hinaus und wurde von der Familie des erschlagenen Bruders verfolgt. Er muss bis zum Bergland an der Küste gekommen sein und soll sich dort den Leuten angeschlossen haben, von der diese alte Sage erzählt.
    Vor langer Zeit -noch lange vor den Tu Gents- siedelten Menschen irgendwo oben in den Bergen an der Küste und bauten sich eine Fluchtburg. Mein Großvater bezeichnete sie als die

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