Feueraugen I. Das Dorf
gefährlich. Auch die kleinsten können sehr giftig sein!" erwidert der.
"JessasMariaundJosef!" Emma flüchtet sich ebenfalls zu Michel auf den Hügel.
Inzwischen ist Dr. Glücklich herbei gekommen. Staunend besieht er sich eine farbenprächtig gezeichnete Schlange von ansehnlichem Ausmaß. Ihren wohl vier Meter langen Leib hat sie auf einer flachen Felsplatte zusammengerollt. Offensichtlich genießt sie die Wärme der letzten Sonnenstrahlen an diesem Tag.
"Ihr seid doch meschugge! Ganz harmlos, das liebe Tierchen!" meint er.
"So? Wer weiß? Diese Bestien sind unberechenbar!" kontert der Signore und bedroht das Tier mit seiner Pistole.
"Lassen Sie die Schlange schlafen. Sonst fühlt sie sich wirklich noch gereizt!" Baldwin wendet sich seinerseits ab.
"Die soll nur kommen!" brüllt da plötzlich Ronald Luigi Ricci. Als sie sich nach ihm umdrehen, sehen sie ihn wie einen der großen Westernhelden vor dem entscheidenden Duell dastehen - breitbeinig und zum Ziehen bereit.
"Aber Herr Ricci ... Sie ist doch gonz zahm!" Dr. Glücklich entfernt sich lachend.
Interessiert nähert sich nun Marlène der Schlange, kniet vor ihr nieder und betrachtet sie eine Zeit lang. Und dann geschieht, was sogar den unbekümmerten Baldwin aus der Fassung bringt. Die Schlange hebt den Kopf und legt diesen ganz unerwartet in Marlènes Schoss.
"Zurück, Signora Lableue!" ruft Ricci. "Springen Sie ... ich erschieße dieses Monster!"
"Ach, Monsieur Ricci ... was soll denn das! Vergessen Sie doch endlich ihre Rolle als Sklavenhändler in 'Kobolebe der Schreckliche'. Wir haben den Film vor über einem Jahr abgeschlossen. Kommen Sie nicht mehr davon los?" Marlène beweist ihnen allen, dass die Schlange wirklich völlig harmlos ist. Sie krault ihren Kopf und das Tier schlängelt sich jetzt um die erklärte Tierliebhaberin.
Nach und nach wagen sich einige etwas näher heran.
"Hübsch ist sie ja!" findet X.
"Ja ... sehr interessante Zeichnung ... aber etwas zu bunt für meinen Geschmack." Zeramov notiert sich ein paar Zeilen in seinen Block.
"Sie mit ihrem Farbensinn, Zeramov!" schimpft Ricci. "Vielleicht hat sie Rodolphe aufgefressen und ... porco dio ... unglaublich, diese Naivität! Als ob alles Schöne unschuldig wäre!"
Es dauert noch eine Weile, dann hat sich die Schlange völlig um Marlène geschlungen.
"Ein liebes Tier ... und keinem Menschen würde sie was wollen. Wenn sie Rodolphe verschlungen hätte, wäre sie fürchterlich dick. Abgesehen davon glaube ich gar nicht, dass sich Rodolphe von einer Schlange verschlingen lassen würde!"
"Freiwillig bestimmt nicht!" kontert Ricci. Immerhin hat er inzwischen seine Pistole zurück ins Brusthalfter gesteckt. Noch etwas skeptisch kommt er langsam näher. "Aber ... sehr böse sieht sie wirklich nicht aus."
Bis auf Michel und Emma, die noch immer auf dem Erdhügel stehen, umringen jetzt alle Marlène und die Schlange. Sogar Dalia hat sich herangewagt.
"She's harmless, isn't she?" fragt sie, nachdem sie selbst einen Kraulversuch unternommen hat. "... ganz trocken! Ich dachte immer, Schlangen sind ... slippery ... ähm ... feucht."
"Ja, sie ist ganz harmlos ... und wird keinen von uns verschlingen!" Zeramov steckt seinen Notizblock wieder fort. "Erstaunlich nur, wie so ein Tier in diese Gegend kommt. Für mich gehört die Schlange eher in die Subtropen."
"Ja, das habe ich mir ebenfalls schon überlegt." bestätigt X.
"Jedenfalls ist das ein armes Tier!" diesen eigenwilligen Einfall hat Baldwin. "Sie gehört bestimmt niemandem und ist sie ganz alleine hier draußen."
"Wir sollten sie mitnehmen!" schlägt Marlène vor.
"Sie sind nicht bei Trost, Mademoiselle!" ereifert sich Baldwin. "Wir können doch keine Schlange mit uns herumtragen. Wenn's eine kleine Blindschleiche wär' ... aber so ein Riesending! – Nein ... bei allem, was Recht ist!"
"Wär' aber 'ne drollige Idee! Ein Maskottchen fehlte uns schon immer!" scherzt Zeramov. "Sie könnte im Wagen unseres lieben X Platz finden."
"Sie sind verrückt, Zeramov. Was brauchen wir denn ein Maskottchen?"
X streichelt der Schlange ohne jede Scheu den Kopf. Das scheint dem Tier gut zu gefallen. Sie rekelt sich ein wenig und sieht dann in etwa so aus wie eine Kreuzung zwischen Anakonda, Kobra und Klapperschlange vor dem Angriff.
"Dem da misstraue ich!" erklärt Ricci und deutet auf das Schwanzende, an dem eine winzige Rassel immer wieder geschüttelt wird. "Erinnert mich wirklich sehr an eine Klapperschlange!"
"Mais non!" Marlène
Weitere Kostenlose Bücher