Feueraugen I. Das Dorf
Ästen und Zweigen gerade neu aus. Der Blitzschlag, der dem verliebten Paar zum Verhängnis geworden ist, hat den Baum geschädigt, ihn aber nicht vernichtet – wie das junge Glück. Gerade gespenstisch sieht es aus, wie sich die mächtigen Äste zum strahlend blauen Himmel emporrecken: einige schwarz und tot, andere durch den Austrieb jungen Blattwerkes mit hellen Grün gesprenkelt.
Bevor sie die Hütte betreten, gibt es für einen kurzen Augenblick einige Aufregung. Cassius filmt Baldwin, der die Türe zur Behausung der Lucy Fera öffnet. Da springt der Regisseur mit einem Aufschrei zurück – eine Katze rennt heftig miauend an ihm vorbei und wird vom Signore 'auf der Flucht' erschossen.
"Meine Herren!" mahnt X, als man sich allgemein davon überzeugt hat, dass die Katze tot ist und außerdem sowieso keine Gefahr dargestellt hat. "Ein bisschen mehr Haltung wäre vielleicht nicht schlecht. Wenn das so weitergeht, fürchte ich, dass bei der nächsten Schrecksekunde einer von uns das Opfer werden könnte!"
Jeder ist nervös und gereizt, doch X hat natürlich richtig bemerkt, wie man durch Hypernervosität die eigene Sicherheit gefährden könnte.
Baldwin befehligt nun –ganz, wie man es von ihm gewöhnt ist- seinen Kameramann: Hütte in Gesamtaufnahme, Zoom auf die inzwischen offen stehende Türe, hinein in die 'gute Stube' und dann viele Detailaufnahmen.
Der Innenraum ist spärlich eingerichtet: eine Pritsche, eine Kommode, ein Stuhl und ein kleiner Tisch – alles offenbar sehr stabil ... aber ebenso erkennbar Eigenbau. Über der Schlafstatt hängt an der Holzwand ein gerahmtes Foto aus den Tagen der Brauntöne.
"Das war sie einmal ... eine Schönheit für die damalige Zeit, wie man sagt!" erklärt der Krämer.
"Oh ja, très jolie!" bestätigt Michel, der die Fotografie wohlwollend betrachtet.
Man steht sich noch ein bisschen selbst im Weg, dann verlassen die, die sich für eine Inspektion entschieden haben, die Hütte wieder.
"Was haben Sie eigentlich g'sucht?" erkundigt sich Emma Killmayer.
"Sie glauben, wir haben etwas gesucht?" Zeramov gibt sich erstaunt. "Aber ja ... insgeheim haben wir bestimmt gehofft, eine Wegbeschreibung nach Rachass zu finden ... so im Stil einer Schatzkarte." sein spöttisches Lachen vergeht ihm jedoch, als er auf ein Holzbrett am Boden tritt, und dieses unter seinem Gewicht nachgibt. Im nächsten Augenblick liegt er am Boden, hält sich den Knöchel und beschimpft 'die alte Hexe', die 'ihren Bauschutt auch überall herumliegen' habe lassen.
Währenddessen hat X andere Bretter vom Boden entfernt und so eine kleine, nicht sehr tiefe Grube freigelegt. In dieser findet sich eine eiserne Schatulle mit einem kleinen Vorhängeschloss.
"Toll! Und was sollte drin sein?" höhnt Ricci, der hinzugetreten ist skeptisch den Fund beäugt. "Die angesprochene Schatzkarte?"
Cassius filmt die Schatulle in Nahaufnahme, verfolgt die geschickten Finger des Doktors, der seine Arzttasche geholt hat und mit ein paar chirurgischen Instrumenten sehr schnell das Schloss öffnet.
Nun bestaunen sie ungläubig den Inhalt!
"Die Heilige Schrift!" ruft Emma aus, als der Doktor das Kästchen geöffnet hat.
Eingeschlagen in eine mit den Jahren matt gewordene Klarsichtfolie befindet sich tatsächlich eine Bibel in der Schatulle ... und weiter nichts.
"Ein prachtvolles Stück!" erkennt Ricci, der als gläubiger Katholik erzogen worden ist und offenbar einen Blick für die edle Aufmachung des Buches hat. Ein herrliches Goldkreuz, reliefartig aus dem schweren Ledereinband heraus gearbeitet.
Als er in dem Buch ein wenig blättert und besonders gelungene Illustrationen bemerkt, ('Gustave Doré' ... ganz wunderbare Arbeiten!') rutscht ein zusammengefaltetes Blatt Papier zwischen den Seiten heraus und fällt zu Boden.
Zeramov, der sich bisher nicht die Mühe gemacht hat, wieder aufzustehen, braucht nur noch vorzulesen.
"Aha ... ein kleiner Kommentar: 'Wie viel Fantasie hätte ein einzelner Mensch haben müssen, um ein solches Buch schreiben zu können.' Schöne Handschrift."
"Was soll das ... ein dummer Fetzen mit uninteressantem Gekritzel drauf!" ereifert sich der Signore. "Hilft uns auch nicht weiter."
Währenddessen hat Ricci weiter geblättert und Randnotizen entdeckt.
"Das ist besser. Hört mal:
'Am Anfang war eine elementare Explosion, aus der zwei gegensätzliche Kräfte hervorgingen. Das Verhältnis, in dem sich diese Kräfte zueinander stellten, bezeichnet den Beginn aller Dinge. Mehr kann nicht
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