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Feuerbande

Feuerbande

Titel: Feuerbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Otten
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Geheimnis zeige ich ihm nicht, den Garten, von dem sonst niemand weiß, dem Geheimnis zwischen Vater und mir.
    Acht Etagen präsentiere ich ihm, weitläufige Hallen, künstliche Felder, gut gedeihendes Gemüse. Ronny bestaunt die Tomaten und Paprika, die vielen verschiedenen Bohnensorten, die Kürbisse, Gurken und Zucchini, die Erbsen, die Möhren und anderen Rüben, alle Sorten Salate und Kohl, die Kräuterbeete und die Ecke mit den alten Sorten, die das Kulturamt bestellt hat, um sie vor dem Aussterben zu bewahren. Ich zeige ihm die Beerenplantagen, die Nusshecken und die niedrigen Obstbäume, die ganz oben unter der Kuppel wachsen, unter der man nachts die Sterne sehen kann. Dann kehren wir wieder nach unten zurück, durchqueren die Geflügelhalle und gehen hinaus ins überdachte Feld, wo unter der riesigen zeltartigen Plane Weizen, Hafer und Roggen wachsen.
    „Mais haben wir auch, es ist dort um die Ecke“, erkläre ich nicht ohne Stolz. „Reis anzubauen ist etwas heikel, aber wir haben dazu eine Testreihe im Keller mit großen Bottichen voll Wasser. Vater hat immer gern Neues probiert. Er hat seine Arbeit hier geliebt.“
    Ronny ist beeindruckt und staunt. „Es ist wirklich eine Welt für sich, und sie ist wunderschön geworden. Und die wolltest du nun ganz alleine versogen?“
    „Natürlich nicht, denn wir haben ja Helfer, um das Pflanzsubstrat zu lockern, zu säen, zu düngen, zu bestäuben und zu ernten. Ich bin für die Bewässerung zuständig, für die richtige Mischung der verschiedenen Dünger, für die Bestellungen von Material, die Kontrolle der Zeitpläne und Arbeitsabläufe. Und ja, das hätte ich alleine gekonnt. Das war schon unter Vater meine Aufgabe.“
    „Dann wird es die auch weiterhin sein“, stellt Ronny anerkennend fest. „Es freut mich, von dir profitieren zu können.“
     
    Ronny ist gar nicht mal so übel, und mit der Zeit gewöhne ich mich an ihn. Ich fühle mich nicht mehr ganz so allein, und es tut gut, jemanden zum Reden zu haben, auch wenn es nur um Dinge geht wie das Einteilen von Futter oder die richtige Justierung der Außenreflektoren, um die Sonne gezielt auf die Beeren zu lenken. Ronny ist freundlich zu den Helfern und respektvoll zu den Pflanzen, und abends verbringt er gern seine Zeit unter der oberen Dachkuppel, macht sich Notizen, liest etwas oder scheint nur vor sich hin zu träumen.
    Ich beobachte ihn gerne dabei, aber das verrate ich ihm nicht.
    Heute jedoch sehe ich, dass er einen Block bei sich hat, einen aus echtem altmodischem Papier, und eine Handvoll bunter Stifte. Meine Neugier ist groß, und ich mache mich bemerkbar.
    „Zeichnest du etwas? Darf ich es sehen?“
    Er scheint nicht überrascht zu sein und schaut von seiner Arbeit auf. „Hallo, Greta. Gern, wenn du möchtest.“ Er hält mir das letzte Blatt entgegen, und ich erkenne einen kleinen Garten voll Blumen, die wunderschön und lebendig wirken. Dann blättert er ein wenig herum, und ich sehe Bilder von weiten Feldern, von Mondlicht, das auf Bäume scheint, ohne Kuppeln darüber und ohne Glas.
    „Es sind Bilder von früher“, stelle ich fest. „Als es noch nicht so viel Menschen gab, vor der Zeit der Konzerne und ihrer Türme. Als der Anbau sich noch nach den Jahreszeiten richtete und weniger effizient gewesen ist. Und viel zu abhängig vom unberechenbaren Wetter.“
    „Ja“, nickt Ronny und betrachtet die Bilder. „Du hast deinen Geschichtsstoff gut gelernt. Diese Zeit finde ich interessant, weißt du. Es ist alles sicher viel schwieriger gewesen, aber doch auch – wie soll ich sagen – näher dran an dem, was den Menschen ausmacht.“
    Ich bin verwirrt. „Wie meinst du das?“
    „Na ja...“ Ronny überlegt kurz. „Der Mensch ist aus der Natur gekommen, und ob er es will oder nicht, es klebt noch immer Erde an ihm. Da kann er noch so sehr unter Kunstlicht sitzen und Dinge in Computer eingeben, er wird es merken, wenn er draußen ist und mit nackten Füßen über Erde läuft. Oder wenn er mit den Händen im Boden gräbt und pflanzt und gießt oder was auch immer. Da ist ein Teil in ihm, der klingt, wenn er ihn noch nicht ganz verloren hat. Die meisten Menschen können es noch hören.“
    „Du redest nicht wie ein Mann vom Konzern.“
    „Ich bin auch keine Puppe von denen.“ Ronny schlägt seinen Block vorsichtig wieder zu. „Und manchmal bin ich mir fast sicher, das sie mich nur deshalb hierher geschickt haben, um mich endlich los zu sein. Weit genug weg, um niemanden mit meinen

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