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Feuerbande

Feuerbande

Titel: Feuerbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Otten
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„Du bist wirklich kein übler Kerl. Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann einmal wieder. Ich weiß, dass du mich hören kannst, wo immer du auch gerade bist. Danke.“
    Leichtfüßig eilte sie über die Felder davon, während ihr Blicke aus unsichtbaren Palastmauern folgten, Augen, die niemals blinzelten, Augen, die keine Tränen kannten.
     

Aufbruch
     
    Jemand klopfte an meine Tür. Poch, poch. Es klang ein bisschen so wie das Schlagen eines Herzens.
    „Wer ist da?“, murmelte ich schlaftrunken und zog mir die Decke über den Kopf. Ich wollte niemanden sehen oder hören, nur eingekuschelt weiterträumen.
    „Ich bin’s, der Frühling“, ertönte eine Stimme, die jung und lebendig klang. „Mein Name ist Lenz.“
    „Den erwarte ich nicht“, murmelte ich müde. „Es ist doch noch alles trübe und dunkel. Und so kalt draußen.“
    „Aber Herr Winter ist abgereist“, beteuerte die Stimme. „Geschäftlich, zum anderen Ende der Welt. Er muss dort nach dem Rechten sehen. Ich werde solange hier weiter machen.“
    „Wirklich?“, gähnte ich und reckte und streckte meine Glieder. „Woher soll ich wissen, dass das stimmt? Ich kann dich ja nicht einmal sehen.“
    „Du solltest mal deine Fenster putzen“, bemerkte die Stimme in einer Weise, die mir nicht so wirklich gefiel. „Wann hattest du denn eigentlich vor, die Winterschleier beiseite zu wischen?“
    „Die kommen immer wieder“, verteidigte ich mich und schlug die Decke endgültig zur Seite. Er ließ mich sowieso nicht mehr schlafen.
    Vorsichtig tapste ich hinüber zum Fenster und versuchte, hinaus zu sehen. Ich rieb mit dem Ärmel über das Grau, bis es verschwand und Platz machte für etwas Warmes, Goldenes, das sich mitten auf meinem Zimmerboden ausbreitete.
    „Ein Sonnenstrahl“, hauchte ich ehrfürchtig. Ich tauchte die Hand ins Licht und ließ es durch meinen Körper fahren, bis alle Zellen erwachten und das Blut rascher in seinen Bahnen kreiste.
    „Siehst du“, hörte ich die Stimme von draußen. Jetzt klang sie plötzlich wie Vogelzwitschern, wie der Ruf einer Amsel, hell und verlockend. „Nun lass mich doch endlich ein.“
    Ich drehte mich einmal um mich selbst wie im Tanz. Rasch hatte ich mich angezogen und öffnete das Fenster, um Herrn Lenz zu sehen. Aber da war nur die Amsel, die rief, und die Sonnenstrahlen, und eine Brise mit einem Hauch von Erwartung darin. Als müsse ich jetzt irgendwas machen. Wollten sie denn alle zu mir?
    Ich räumte die dicke Winterdecke fort und öffnete die Tür, so weit ich nur konnte. Ein Schwall frischer Luft drang herein, bahnte sich seinen Weg zum geöffneten Fenster, tauschte die Winterstarre gegen Bewegung. An seinen Rändern wiegten sich Farben, strömten nach vorn und zeichneten Knospen an meine Wände, durchbrachen das Grau mit zartem Pastell. Ein Hauch von Düften folgte ihnen, und Stimmen, überall Vogelstimmen.
    Ich atmete tief und lächelte.
    „Willkommen, Herr Lenz“, verneigte ich mich. Und dann trat ich hinaus in die neue Welt, frisch und neu und jung und lebendig, hinaus aus dem alten Wintertraum, hinein in die Zeit des großen Erwachens.
     

Das Haus
     
    Nana träumte.
    Es musste ein Traum sein, ganz bestimmt, denn sie wusste nicht, wie sie hergekommen war, und das ist ja so mit Träumen: man merkt nicht, wie sie anfangen, man ist plötzlich mittendrin.
    Sie stand in einer Landschaft voll grüner Pflanzen, und Gras kitzelte ihre nackten Füße. Sie schaute an sich herunter und sah ein weißes Kleid, vielleicht auch ein Nachthemd, sie wusste es nicht. Vor ihr bildete das saftige Land eine Anhöhe, und auf diesem Hügel gab es ein Haus.
    Das Haus war schön und fest gebaut, und Nana fühlte sich auf seltsame Weise berührt. Wie von selbst setzten sich ihre Füße dorthin in Bewegung, zerteilten das Gras, spürten dunkle Erde. Ihr Kleid bewegte sich im Wind und sie lachte, weil sie sich so gut und frei fühlte wie lange nicht mehr.
    Den Anstieg bewältigte sie ohne Mühen, und schließlich stand sie vor dem Gebäude und drückte vorsichtig gegen die Tür. Diese schwang auf, als habe sie nur darauf gewartet, und Nana wusste, dass sie hineingehen musste, auch wenn darin alles dunkel war. Also wagte sie ein paar Schritte, und nach einer kleinen Weile erschien ihr die Dunkelheit gar nicht mehr düster. Sie konnte die Umrisse von Fenstern erkennen.
    Nana bewegte sich darauf zu, tastete und spürte den schweren Stoff, mit dem die Fenster verhangen waren. Mit einem Ruck zog sie ihn zur Seite,

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