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Feuerbande

Feuerbande

Titel: Feuerbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Otten
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quiekte und winselte immerzu, und als es Abend geworden war, nahm der Hirte das fremde Tier mit den anderen zu sich nach Hause.
    So kam es, dass der Schweinehirt ein weiteres Ferkel bekam, und gleichzeitig verbreitete sich die Nachricht im Land, dass der Prinz verschwunden war und niemand wusste, wo er steckte. Der König setzte eine hohe Belohnung für jedermann aus, der ihm Hinweise bringen konnte, doch niemand kam auf den Gedanken, dass sein Sohn gar nicht weit entfernt von ihm lebte, in einem Stall zwischen Mist und Schweinen.
    „Ich würde dich ja gern zur Königsburg bringen“, sagte der Schweinehirt zu seinem neuen Tier. „Doch ich fürchte, du könntest am Bratspieß enden, noch bevor ich dort etwas sagen kann. Wir müssen etwas anderes versuchen.“
    Doch ihm wollte einfach nichts einfallen.
    „Der Wald hat dich verzaubert“, meinte der Schweinehirt schließlich. „Also muss er den Bann auch wieder lösen können. Morgen machen wir uns auf den Weg.“
    Und so trieb der Schweinehirt seine Herde wie immer unter den Bäumen entlang in den Wald und ließ sie dort nach Futter wühlen. Er selbst band das Ferkel an einen Strick und ging immer weiter, tiefer und tiefer in den Wald hinein, dorthin, wo selbst er noch nie zuvor gewesen war. Dorthin, wo die Geheimnisse wohnen.
    Sie kamen an einem tiefen Erdloch vorbei, das sich unter Baumwurzeln ausbreitete, und dort sahen sie einen Zwerg, der neugierig herausschaute. „Ein nettes Schwein hast du da“, fand der Zwerg. „Gib es mir, ich könnte ein Reittier gebrauchen.“
    Das Ferkel quiekte, und der Schweinehirt schmunzelte. „Verdient hätte es das“, antwortete er. „Aber nein, ich kann es dir nicht geben. Es ist ein verzaubertes Tier, und wir suchen jemand, der es erlösen kann.“
    „Dann müsst ihr zur Herrin des Waldes“, sagte der Zwerg. „Sie ist groß und mächtig und kann euch wohl helfen. Folgt nur diesem Weg, er wird euch zu ihr bringen.“
    Der Schweinehirt dankte ihm und sie gingen weiter, bis der Weg zu einem schmalen Pfad wurde. Da kamen sie an einem windschiefen Hexenhaus vorbei, und die Hexe lehnte am Tor mit wilden Haaren und großen Zähnen.
    „Gib mir das Schwein“, verlangte sie. „Das wird einen schönen Braten geben!“
    Das Ferkel quiekte und drängte sich dicht an die geflickte Hose des Schweinehirten, und dieser strich ihm über den Rücken. „Verdient hätte er’s wohl“, nickte der Mann. „Aber ich kann ihn dir nicht geben. Ein fremder Zauber ist stark in ihm. Weißt du den Weg zur Herrin des Waldes?“
    Die Hexe trat einen Schritt zurück. „Dann werde ich ihn nicht berühren. Folgt nur diesem Pfad, er wird euch zu ihr bringen.“
    Der Schweinehirt dankte ihr und sie gingen weiter, bis der Pfad unter Gras und Wildwuchs verschwand, so dass sie ihn nicht mehr sehen konnten. Ringsherum wuchsen Büsche und Bäume, und die richtige Richtung war nicht zu erkennen.
    „Was nun?“, fragte der Schweinehirt. „Nun sind wir schon so weit gelaufen, es wäre eine Schande, wieder umkehren zu müssen. He, Wald, kannst du mich hören? Kann mich irgendjemand hören?“
    In diesem Moment erblickten sie ein Reh unter den Bäumen, das auffordernd zu ihnen hinüber schaute. „Danke, Wald“, murmelte der Schweinehirt. „Ich denke, du möchtest, dass wir ihm folgen.“ Und das taten sie auch eine ganze Zeit.
    Schließlich, als Ferkel und Mensch anfingen, müde zu werden, traten sie auf eine Lichtung hinaus, und auf dieser Lichtung, umgeben von kristallklarem Wasser, befand sich ein Haus ganz aus Pflanzen gewoben. Starke Bäume bildeten die Ecken, Blätter und Ranken verwuchsen zu Wänden, und die Decke bestand aus Gras und Moos und Wiesenblumen. Und in der Eingangstür stand eine Frau, die seltsamer wirkte als alles, was dem Schweinehirten je begegnet war.
    Sie war jung, doch ihre Augen wirkten uralt und weise und schimmerten wie Tautropfen am Morgen. Ihre Haut war hellgrün wie Birkenblätter, und ihre Haare rankten sich sonnenstrahlengleich wie Schlingpflanzen um ihre Schultern. Als Schmuck trug sie große duftende Blüten, und ihre Ohren waren spitz wie die eines Tieres. Ihr Kleid war braun und dunkelgrün wie ein mit Tannennadeln gesprenkelter Waldboden, und ihre Füße waren nackt und hinterließen Spuren, die sich sofort mit Gräsern und Blumen füllten.
    Das Reh stellte sich wartend an ihre Seite, und die Frau legte den Arm um seinen Hals. „Ich danke dir, dass du unsere Gäste begleitet hast“, sagte sie, und es klang wie das

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