Feuerbluete 01 - Feuerbluete
auf einen der Hocker im Wohnraum fallen ließ. Seine blaugrauen Augen blickten besorgt. »Wir dachten fast, irgendjemand hätte dich entführt oder so was. Warst du auf Erkundung?«
Alenas Herz hüpfte. Es war ein schönes Gefühl, dass er sich Sorgen um sie gemacht hatte. Doch dann fiel ihr ein, was sie ihm gleich sagen musste. Auf einmal war in ihrem Mund ein gallig bitterer Geschmack. »Ich war ...«
»Beim Erdgeist, du hast ganz schön was verpasst!«, unterbrach sie Rena, ihre Augen glänzten ganz seltsam. Jetzt erst bemerkte Alena, wie aufgekratzt und unruhig ihre Freunde waren. War etwas passiert, während sie weg gewesen war?
»He, habt ihr seinen Beljas-Vorrat entdeckt, oder was?«
»Wir haben eine Menge über Keldo herausgefunden!«, sprudelte Rena heraus »Es war eine ganz kleine Schriftrolle, versteckt in einem furchtbar trockenen Lehrbuch. Er hat sein ganzes Leben aufgezeichnet und, beim Erdgeist, es ist eine unglaubliche Geschichte, eine der schrecklichsten, die ich bisher gehört habe ...«
Keldos Geschichte
»Was?!« Alena schien völlig aus dem Konzept gebracht.
Schnell reichte ihr Rena die kleine Schriftrolle. Alena verzog sich damit in eine Ecke des Wohnraums und begann zu lesen. Die Anfangssätze von Keldos Erzählung hatten sich Rena eingeprägt:
Mein Name ist Keldo ke Vanamee. Diesen Bericht schreibe ich im Monat, in dem die Blätter fallen. Vielleicht liegt es an der Jahreszeit, aber in den letzten Tagen habe ich oft das Gefühl, dass ich vielleicht nicht mehr lange zu leben habe. Es ist Zeit, meine Geschichte aufzuschreiben. Ich will sie nicht mit mir nehmen in die heiligen Seen - oder wahrscheinlich werden sie meinen Körper einfach verscharren, so wie sie es mit Gildenlosen halten...
Alenas Augen huschten über die Zeilen, man sah, dass sie eine geübte Leserin war. Kerrik ging unruhig im Raum umher, aber Rena beobachtete Alena, während sie las. Ihr Gesicht war ernst und konzentriert. Sie wirkte erwachsener als noch vor kurzem, als sie gemeinsam im Turm des Gildenrats gewesen waren. Aber auch angespannt und erschöpft. Unter ihren Augen waren Schatten und ihre Haut hatte eine ungesunde Farbe. Am liebsten hätte Rena ihr den Arm um die Schultern gelegt, sie getröstet. Aber das duldet Alena nie und nimmer - und erst recht nicht vor Kerrik, dachte Rena und seufzte. Dafür hat sie zu viel von dem Stolz der Feuerleute mitbekommen.
Im Geist las Rena mit.
Ich bin in Vanemee aufgewachsen, dem Land der Seen. Es gibt keine bessere Kindheit, glaube ich. Meine Eltern lachten viel mit mir. Den ganzen Tag war ich im Wasser, sorglos und frei. Mit meinen Freunden habe ich Regenfische gezähmt, bei Wettschwimmen gewonnen, erste eigene Geschäfte gemacht. Damals noch mit seltenen Muscheln, mit Dingen, die ich am Grund der Seen gefunden habe.
Noch heute bin ich dankbar für das Glück, das ich erfuhr. Denn als ich gerade erwachsen war, trat Ulika in meine Welt. Die Liebe meines Lebens. Sie liebte mich von Anfang an, aber ihre Mutter hielt mich für einen Sonnentrinker, einen, der den ganzen Tag an der Oberfläche driftet und am liebsten nichts tut. Ulika hing sehr an ihren Eltern, sie wollte nicht mit ihnen brechen. Also bot ich ihrer Mutter an, ihr zu beweisen, dass ich Ulikas sehr wohl würdig sei. Innerhalb eines Tages würde ich einen Fischschwarm erwerben, der sich sehen lassen konnte. Es war eine gewagte Wette, aber ich schaffte es, sie zu erfüllen. Nur Ulika habe ich gebeichtet, dass ich den Schwarm bei einem Kelo-Spiel am Schwarzen Fluss gewonnen habe - mit sieben Jahren meines Lebens ab Gegeneinsatz.
Ulika wollte eine große Familie, sich niederlassen. Also wurde ich ihr zuliebe Fischfarmer. Und wieder hatte ich Glück: dieser erste Schwarm - schöne, fette Akjat-Fische - wuchs und gedieh, bis er zehn mal tausend Köpfe zählte und das Meer silbern erglänzte, wo ich ihn hegte. Nebenbei züchtete ich Sonnenalgen, auch das lief gut. Ulika und ich lebten in Eintracht. Drei Kinder wurden uns geboren: die schüchterne Niri, der eigensinnige, lebhafte Ro und Elai, der Älteste, der mir bei meiner Arbeit half und am glücklichsten war, wenn er draußen und in Bewegung sein konnte.
Doch dann kam der schlimme Tag, an dem Streit zwischen einem Menschen der Wasser-Gilde und einem Besucher der Luft-Gilde ausbrach. Ein Mann der Luft-Gilde, auf Handelsreise in Vanamee unterwegs, hatte ein Kanu nicht an einer bestimmten Stelle vertäut, sondern länger benutzt als vereinbart. Er weigerte sich seine
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