Feuerbluete 01 - Feuerbluete
nicht schlecht sein. Rena übertreibt! Sie kann ihn eben nicht ausstehen.
Mach dir doch nichts vor: Du willst Macht, Macht über andere. Es wird dich verderben. Du wirst ein schrecklicher Mensch werden!
»Bin ich doch schon«, murmelte Alena trotzig und überquerte die Brücken zum Silbernen Bezirk, sah das dunkle Wasser unter sich schimmern. Dann war sie da. Vor ihr ragten die Türme auf, in kühler Grazie umstanden sie das Herztor.
Diesmal musste Alena nicht lange warten. Kaum war sie zum Stehen gekommen, trat ein Mann aus den Schatten. Und noch einer. Und noch einer.
Alena zog ihr Schwert, ging in Kampfpose.
»Ganz ruhig, Mädel - wir sollen dich nur zu ihm bringen«, knurrte einer der Unbekannten. In der Dunkelheit konnte sie sein Gesicht nicht erkennen.
Langsam ließ Alena die Waffe sinken, doch sie blieb wachsam.
»Da, zieh dir das über die Augen«, sagte der Mann und warf ihr ein dunkles Tuch zu. Alena zögerte. Wenn sie das Ding anlegte, gab sie sich ihnen völlig in die Hand. Aber sie musste es riskieren. Es war der Preis dafür, Cano zu treffen. Wahrscheinlich bringen sie mich in sein Hauptquartier, dachte sie, und ihr Herz klopfte heftig.
Als sie das Tuch angelegt hatte, griff jemand ihren Ellbogen und führte sie. Alena hörte am Echo ihrer Schritte, dass sie die Brücken wieder überquerten. Nach einer Weile roch sie Rauch; sie erriet, dass sie nun im Gelben Bezirk waren, dem Bereich der Feuer-Gilde. Aber sie kannte sich hier nicht gut genug aus um zu erkennen, wo genau sie waren. Leise Stimmen, von fern das Geräusch eines Kampfs mit hölzernen Übungsschwertern. Der helle Klang von Hämmern, die auf Stahl niedersausten, das Fauchen von Blasebälgen - in einigen Schmieden wurde immer noch gearbeitet. Ein leichter Wind trug den Geruch nach heißem Metall und Hornspänen, den Duft nach zerstoßenen Kräutern heran ...
Sie betraten ein Gebäude, Alena spürte das Metall der Wände. Es musste eine Schmiede sein, eine schwarze Pyramide so wie tausend andere in Tassos. Selbst im Gelben Bezirk gab es Hunderte davon. Die finde ich bestimmt nicht wieder, dachte Alena. Ich kann ihn nur treffen, wenn er es will.
Sie fühlte die Hitze eines Feuers, das in der Nähe brannte, auf dem Gesicht. Schritte entfernten sich. »Du kannst das Tuch jetzt abnehmen«, sagte eine ruhige, befehlsgewohnte Stimme. Alenas Herz machte einen Satz. Canos Stimme!
Sie riss sich das Tuch herunter. Diesmal trug Cano ein langes feuerfarbenes Gewand, seine Predigertracht. Amüsiert lehnte er an der Tür und betrachtete sie. Es war das erste Mal, dass sie ihn aus der Nähe sah und bei Licht. Jetzt bemerkte sie die Falten, die sich in sein Gesicht gegraben hatten, die Spuren harter Zeiten. Seine hellen Augen schienen bis in ihre Seele vorzudringen. Alena hielt seinem Blick stand, solange sie es schaffte.
Dann blickte sie sich in der Schmiede um. Geräumig und sehr gut ausgestattet, sie musste einem reichen Gildenbruder gehören...
»Schön, dich wiederzusehen«, sagte Cano und es klang so einfach und herzlich, dass Alena die Tränen in die Augen stiegen. Was auch immer man ihm vorwarf - er gehörte zu ihrer Familie. Wenn ihr Vater starb, war er ihre Familie.
Er versucht dich wieder zu manipulieren. Alena wusste nicht, wo der kleine warnende Gedanke herkam. Aber er wirkte. Sie riss sich zusammen, war wieder auf der Hut. »Ich wollte mit dir reden. Es gibt eine Menge Sachen, die mir noch nicht klar sind.«
»Zum Beispiel?«
»Was willst du eigentlich?« Alena suchte nach Worten. »Ich meine, du musst ja irgendein Ziel haben ... was genau hast du mit Daresh vor?«
»Natürlich habe ich ein Ziel.« Ernst blickte er sie an. »Ich möchte das Unglück der Welt hinwegfegen, die Menschen heilen und wieder zu einem Ganzen fügen.«
Hm. Das waren fast genau die Worte, die er auf der Kundgebung verwendet hatte. Auf einmal klangen sie nicht mehr begeisternd, sondern schal. »Ja, aber - was soll das bringen?«, fragte Alena hartnäckig. »Zu was für einem Ganzen?«
»Daresh wird ein glücklicherer Ort werden. Mit vielleicht etwas weniger Unrecht, etwas weniger Schmerz.«
Ja, das war etwas, was Alena verstehen konnte. Auf Daresh gab es viel Unrecht, das hatte sie im Schwarzen Bezirk gesehen. »Wahrscheinlich würdest du auch den Gildenlosen helfen, oder?«
»Ja natürlich«, sagte Cano. Er nickte und stieß sich von der Tür ab. »Komm. Es gibt ein paar Leute, die du kennenlernen solltest.«
Er legte den Arm um ihre Schultern, als er
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