Feuerbluete 01 - Feuerbluete
stand schon hoch am Himmel - kamen sie auf die Traditionen der Gilden zu sprechen und Kerrik meinte: »Ich finde, du kommst erstaunlich gut damit klar, dass du nicht mehr zu den Feuerleuten gehörst. Hast du dir schon überlegt, was du machen wirst?«
Manchmal schaffte Alena es, das mit ihrer Gilde ein paar Atemzüge lang zu vergessen. Jetzt, wo er es aussprach, traf es sie wieder mit voller Wucht. Ich gehöre nicht mehr zu den Feuerleuten. »Richtig kapieren werde ich es wahrscheinlich erst, wenn ich zurück in Gilmor bin«, sagte Alena und hörte, dass ihre Stimme schwankte. »Ich will mir gar nicht vorstellen, was mein Vater sagen wird ...«
Alena fiel ein, dass sie eigentlich nicht nach Gilmor zurückkehren durfte. Und dass ihr Vater vielleicht gar nicht mehr leben würde. Sie spürte, wie etwas in ihr zu zerreißen drohte. Rasch stand sie auf; das hatte gerade noch gefehlt, dass sie vor ihm anfing zu flennen wie ein Kleinkind.
»Es tut mir Leid ... ich hätte das besser nicht gefragt...« Hilflos stand Kerrik ebenfalls auf.
»Das macht nichts, ich ...« Wütend über sich selbst rieb sich Alena über die Augen.
Sanft, ganz sanft zog er sie in seine Arme und es war ein unglaubliches Gefühl, ihm so nah zu sein. Einen Moment lang löschte es die Trauer aus und Alena holte tief Luft, schmiegte sich an ihn, verlor sich in dem Frieden und der Wärme seines Körpers. Seine Hand strich über ihre Haare - beim Feuergeist, wenn er so weitermachte, würde sie tatsächlich weinen ...
»He, alles in Ordnung?«, flüsterte er und Alena hob langsam den Kopf. Er beugte sich ein wenig zu ihr herunter und plötzlich waren ihre Gesichter ganz nah, ihre Lippen noch näher, und Alenas Herz hämmerte wie wild. Seine Hand lag auf ihrer Wange, ihrem Nacken, und ihre Lippen trafen sich einen herrlichen Moment lang.
Sie erschraken beide über diesen Kuss. Auch wenn Kerrik sie noch immer hielt, spürte Alena, dass die Verlegenheit zwischen ihnen mit einem Schlag wieder da war. Sie lösten sich voneinander, sagten sich gute Nacht und gingen schnell in ihre Zimmer.
Es dauerte lange, bis Alena es schaffte, einzuschlafen. Immer wieder musste sie daran denken, wie es sich angefühlt hatte, in seinen Armen zu sein. Was hatte dieser Kuss bedeutet? Ich glaube, er mag mich auch ein bisschen, dachte Alena und die Freude war wie eine schimmernde goldene Welle in ihrem Inneren.
Doch die angenehmen Gedanken wurden durch dunkle, nagende verschattet. Gedanken an Lilas. Eigentlich sind die beiden ja nicht mehr zusammen, erinnerte sich Alena immer wieder. Doch es half nicht viel. Der Kuss, ihre Gedanken an Kerrik fühlten sich wie Unrecht an. Ich sollte ihm aus dem Weg gehen, dachte Alena, aber sie ahnte, dass sie das nicht schaffen würde.
Rena spürte sofort, dass sich etwas zwischen Alena und Kerrik verändert hatte. Eine seltsame Spannung lag zwischen den beiden in der Luft. Oje, sieht so aus, als hätten sie sich wieder gestritten, dachte sie. Schade, ich hatte das Gefühl, dass Kerrik ihr gut tut. Sie hat von ihm schon mehr gelernt als von mir ...
Kerrik holte gerade neue Esswaren aus den hinteren Höhlen, als Cchraskar aufhorchte und witternd die Nase hob. »Darr ist jemand!«, knurrte er. »Ein Fremder.«
Renas Körper spannte sich. Ihr fielen mehrere Möglichkeiten ein, wer das sein konnte. Ein Neugieriger aus der Stadt. Ein Soldat der Garnison, der den Schauplatz des Mordes noch einmal in Augenschein nehmen wollte. Ein Gildenloser, der nachsah, ob es in Keldos Behausung noch etwas zu stehlen gab. Oder es war Cano. Auch wenn er selbst nicht herausgefunden hatte, wo Rena und die anderen sich befanden - Wühler wussten auf eine geheimnisvolle Art immer, wo sie ihre Nachricht abzuliefern hatten. Bisher hatte er nie jemand geschafft, einem Wühler zu folgen. Aber bei Cano konnte man nie wissen.
»He, ihr!«, rief jemand im Vorraum. Das klang nicht gerade nach Cano.
Alena bedeutete Rena sich zurückzuhalten. Sie zog das Schwert und schlich hinter Cchraskar her zur geheimen Tür, durch die sie Keldos Höhle zum ersten Mal betreten hatten. Nachdem sie kurz gelauscht hatte, betätigte sie den geheimen Hebel, der die Verbindungstür zur Seite schwingen ließ.
Vor ihnen stand ein junger Mann mit schwarzen Haaren, die schon länger nicht mehr geschnitten worden waren und ihm bis in den Nacken wucherten. Er hatte ein schmales Gesicht und intelligente grünbraune Augen. Er trug mehrere abgetragene, aber saubere Kleidungsschichten
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