Feuerbluete 01 - Feuerbluete
ausgestoßen! Das war gleich nach Tod und Verbannung das schlimmste Schicksal, das ein Menschen in Daresh erleiden konnte. »Alena ... ich ...«, begann Rena, aber dann überwältigte sie die Trauer. Ein solches Schicksal hatte Alena nicht verdient. Ich hätte irgendetwas tun müssen, es verhindern müssen, dachte sie hilflos. Jetzt ist es zu spät!
In diesem Moment kratzte es im Gang und das spitze Gesicht des Iltismenschen erschien. »Ist niccht so richtig gut gelaufen«, gestand er verlegen. »Sie haben die Rolle, aberr es war kein Langhaariger da.«
Rena zwang ihre Gedanken zum Problem mit der Schriftrolle zurück. »Warten wir erst mal ab«, entschied sie. »Wenn Cano in Ungnade fällt, werden wir es mitbekommen. Ich fürchte, so lange müssen wir noch hier bleiben. Es ist jetzt zu gefährlich, die Höhle zu verlassen, daran könnten wir uns übel die Finger verbrennen.«
Vielleicht war es das Wort »verbrennen«, jedenfalls war es auf einen Schlag mit Alenas Selbstbeherrschung vorbei. »Sie haben gesagt, ich darf die Formeln nicht mehr benutzen!«, brach es aus ihr heraus. »Das heißt, ich kann nicht einmal mehr Feuer machen!«
»Das mit den Formeln brauchst du nicht so ernst zu nehmen, glaube ich - mein Kompagnon Jorak benutzt sie auch, obwohl er gildenlos ist«, versuchte Kerrik sie zu trösten. Rena war ihm dankbar dafür. Wahrscheinlich hätte Alena es nicht ertragen, wenn er jetzt angewidert vor ihr zurückgewichen wäre. Wie es viele andere Menschen getan hätten, die einer Gilde angehörten.
»Und wovon soll ich verdammt noch mal leben, wenn ich nichts mehr schmieden darf?« Alena schleuderte ihren Umhang in eine Ecke. »Ich kann gerade mal Söldnerin werden und mich in irgendeiner beschissenen Provinz mit Leuten anlegen, die mir nichts getan haben!«
»Du wirst eine Antwort finden«, sagte Rena ruhig. Doch auch sie dachte an das Elend des Schwarzen Bezirks.
Alena verkroch sich in ihrem Zimmer. Jetzt bist du wirklich eine Gesetzlose, dachte sie und der Gedanke schmerzte. Wie aufregend sich das angehört hatte, als Cano davon sprach! Jetzt wurde ihr erst wirklich klar, was es bedeutete. Sie hatte keinen Platz mehr auf Daresh. Sie würde nie mehr nach Gilmor und zu ihrem Vater zurückkehren können.
Rostfraß, ich hätte mich nie mit Cano treffen dürfen, dachte Alena und fühlte sich sterbenselend. Er hatte zwar nur einen kurzen Blick auf ihr Schwert werfen können und es war dunkel gewesen, aber er war ein ehemaliger Söldner, er kannte sich mit Waffen aus - und er hatte sich über sie erkundigt und sicher auch erfahren, dass sie bei der Prüfung durchgefallen war. Nein, fiel es Alena ein, es gab noch eine andere Erklärung. Die Nacht fiel ihr ein, in der sie sich feierlich ihr Schwert verliehen hatte. Also hatte sie sich den weißen Schatten zwischen den Bäumen doch nicht eingebildet! Vielleicht hatte der Panther sie beobachtet - und Cano mitgeteilt, was er gesehen hatte. Hass brodelte in ihr hoch, obwohl sie wusste, dass es vor allem ihre eigene Schuld war. Sie hatte sich ihr Meisterschwert genommen, sich damit verwundbar gemacht.
Was hatte Cano gesagt? Es war immer mein Ziel, nach eigenen Gesetzen zu leben. Vielleicht wollte er mich dazu zwingen, das Gleiche zu tun, dachte Alena. Jetzt habe ich keine Wahl mehr. Ich muss mir eigene Gesetze geben. Aber diese Baumratte wird schnell feststellen, dass ich nicht so werde wie er!
Der Gedanke tröstete sie ein wenig. Vielleicht hätte ich das mit meinen eigenen Gesetzen sowieso früher oder später tun müssen, überlegte sie. Mit einer Gesellschaft, die so etwas wie den Schwarzen Bezirk hervorbringt, ist etwas ganz und gar nicht in Ordnung, und damit stimmt auch etwas mit ihren Gesetzen nicht. Man kann sich nicht blind nach dem richten, was vorgeschrieben ist. Jeder muss für sich selbst entscheiden, nach welchen Regeln er lebt.
Lange dachte sie darüber nach, was ihr wichtig war. Wahrscheinlich werde ich damit nie fertig, dachte Alena. Ich werde immer wieder neu darüber nachdenken müssen. Aber nach einer Weile hatte sie sich drei Dinge überlegt, zu denen sie stehen konnte. Es war schon sehr spät; die anderen schliefen längst. Alena schnappte sich eine Hand voll Becher und eine Flasche Öl und schlüpfte durch den geheimen Tunnel nach draußen. An den Warenlagern und den Kinderskeletten vorbei. Mühsam öffnete sie den Ausgang zum Herztor, schob die schwere Steinplatte beiseite.
Im fahlen Licht der Monde stand sie auf dem weiten Platz, auf
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