Feuerbluete 01 - Feuerbluete
mehr kommen würde. »Vielleicht hält Navarro die Rolle nicht für echt«, überlegte Rena. »Kann sein, dass er ein paar Tage braucht um sie prüfen zu lassen.«
Das glaubt sie nicht wirklich, dachte Alena und sagte, was ihr durch den Kopf ging: »Und was ist, wenn du ihn falsch eingeschätzt hast, wenn er doch zu den Verschwörern gehört?«
Schweigend schüttelte Rena den Kopf, aber sie sah nicht sehr überzeugt aus.
Kerrik meinte: »Möglich, dass Cano es irgendwie durch seine Leute geschafft hat, die Aufzeichnungen in die Hände zu bekommen und zu vernichten.«
»Aber es gibt noch drei Zeugen, die es gelesen haben«, sagte Alena entschlossen. »Wir können unter Eid aussagen.«
Cchraskar war beleidigt, dass er nicht zu den Zeugen gehören konnte. Aber er konnte nun mal nicht besonders gut lesen, er wusste über Keldos Geschichte nur, was sie ihm erzählt hatten.
Rena nickte. »Eben deshalb wird er nicht so dumm sein, uns am Leben zu lassen. Obwohl uns im Moment niemand ernst nimmt.«
Sie diskutierten noch eine Weile, dann begann Rena zu gähnen und zog sich zurück. Cchraskar schlich sich zum Schlafen in einen der Seitentunnel. Aber Alena war noch nicht müde und auch Kerrik machte noch keine Anstalten, ins Bett zu gehen. Nachdenklich drehte er seinen Becher in den Händen; sie hatten sich eine Kanne Cayoral gekocht, den aromatisch-pfeffrigen Kräutersud, der das gängigste Getränk Dareshs war. »Eins hat Keldos Höhle ja für sich - hier sind wir vor dem Weißen Panther sicher. Immer wenn ich daran gedacht habe, dass dieses Vieh mich erwischen könnte, war mir ziemlich mulmig zumute.«
»Mir auch«, gestand Alena. Sie genoss es, mit ihm zusammenzusitzen, nur etwas mehr als eine Armlänge von ihm entfernt. Er roch gut, nach Erde, den Kräutern, die Keldo in seinen Kleiderkammern aufgehängt hatte ... und irgendwie nach Kerrik eben. Sein blonder Dreitagebart machte ihr nichts aus, er stand ihm ganz gut. »Im Traum habe ich den Panther heute verjagt. Aber wer weiß, ob das in Wirklichkeit auch so funktioniert.«
»Trotzdem. Es ist ein gutes Zeichen.«
Alena nickte. »Es hat ewig gedauert, bis ich darauf gekommen bin. Es geht nur mit dem Willen, nicht mit Waffen. Und man darf keine Angst vor ihm haben.«
In Kerriks Blick war Bewunderung und Wärme. Jedenfalls ist er nicht mehr sauer auf mich, dachte Alena erleichtert.
»Weißt du, Lilas hatte gar nicht so Unrecht mit ihren Vorwürfen«, sagte Kerrik plötzlich.
Fragend zog Alena die Augenbrauen hoch. Kerrik sah sie nicht an, sprach zur Wand hin. »Ich habe mich zu dir hingezogen gefühlt. Vielleicht hat sie’s gespürt. Frauen sollen ja einen sechsten Sinn für so was haben ...«
Seine Worte ließen ein köstliches Prickeln von Kopf bis Fuß durch Alenas Körper laufen. Er fühlte sich zu ihr hingezogen! »Hast du gewusst, dass ich dich ... mag?«, fragte sie zögernd. »Schon bevor du das Gedicht gelesen hast?«
»Ja, das habe ich gemerkt«, sagte Kerrik und lächelte sie an - kurz, schuldbewusst. Alena lächelte verlegen zurück und einen Moment lang schwiegen beide. Sie blickten sich einfach nur an.
Dann war der Moment vorbei, denn Alena fiel etwas Peinliches ein. »Dann hat es Lilas bestimmt auch gemerkt. War es so offensichtlich?«
»Denk einfach nicht mehr darüber nach. Das mit Lilas ist vorbei und es ist nicht nur deine Schuld.«
»Wieso?«
»Es gab da einen Abend im Frühling... ich war mit Jorak unterwegs, wir hatten ziemlich viel getrunken ... und dann sind wir, äh, in der Goldenen Lanze gelandet. Natürlich hat mich jemand erkannt und es Lil erzählt, bevor ich’s ihr beichten konnte.«
»Oh, Rostfraß«, sagte Alena. Das hätte sie nicht von ihm gedacht!
»Genau. Also hör auf, dir Vorwürfe zu machen. So, und jetzt reden wir über was anderes, in Ordnung?«
Sie sprachen noch lange über die Regierung von Daresh und über ihre Erfahrungen mit den Halbmenschen. Es war spannend, sich mit ihm zu unterhalten - er wusste über die jüngsten Erkundungen an der Schattengrenze genauso gut Bescheid wie über die Geschichte Dareshs. Alena war beeindruckt davon, wie vielfältig seine Interessen waren. Ihm schien es umgekehrt genauso zu gehen, denn ab und zu musterte er sie mit einem erstaunten Blick. Immerhin bin ich jetzt sechzehn und damit nach den Gesetzen Dareshs erwachsen, dachte Alena. Normalerweise hätte ich bald wie jedes Jahr den Tag gefeiert, an dem ich in die Gilde aufgenommen worden bin ...
Schließlich - der dritte Mond
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