Feuerflügel: Roman (German Edition)
dummen Kinder“, sagte sie so leise, dass Greif sie kaum hören konnte.
„Es war nicht meine Absicht“, sagte er. „Ich wusste nicht, dass sie unter mir war, und ich hatte Angst, dass ich mich verbrennen würde. Ich habe dann versucht, die Flammen zu löschen, aber sie wollten nicht ausgehen.“
Sie hüllte ihn mit ihren Flügeln ein und hielt ihn eng an sich gedrückt, und Greif wusste nicht, was er denken sollte. Sie sollte ihn nicht so halten, es war seine Schuld. Er wagte kaum zu atmen und wünschte, er könnte verschwinden.
„Du hast so ein Glück. Es hätte sein können ...“ Seine Mutter brachte den Satz nicht zu Ende. „Warum hast du dich dazu überreden lassen?“
Er sagte nichts, hatte ein Gefühl, als würde ihm jede Luft aus den Lungen gequetscht.
Aber er musste es ihr sagen.
„Es war meine Idee“, keuchte er.
Sie blickte ihn schockiert an. „Warum?“, brachte sie gerade noch heraus.
Er konnte ihr nicht ins Gesicht sehen, während er sprach. „Damit wir etwas Feuer haben könnten wie die Eulen. Und ich dachte, vielleicht könnten wir es benützen, um uns im Winter warm zu halten. Damit wir hier bleiben können, ohne die Wanderschaft antreten zu müssen.“
Und damit mein Vater glauben würde, ich hätte etwas Mut, dachte er, sprach es aber nicht aus.
Seine Mutter schloss fest die Augen, als traute sie sich nicht zu sprechen. Als sie es dann tat, flackerte Ärger in ihrer Stimme. „Greif, wir wollen kein Feuer. Wir brauchen es nicht. Sein einziger Nutzen besteht darin, dass man es im Krieg verwenden kann. Wir könnten es hier drinnen nicht halten. Es würde den Baum in Brand setzen. Selbst wenn es das nicht täte, hätten wir immer noch nichts zu essen während des ganzen Winters. Wir würden verhungern.“
Er nickte so heftig, dass ihm der Nacken wehtat. „Es war ... eine wirklich schlechte Idee“, sagte er. „Es tut mir Leid.“
„Ihr hättet kommen und uns benachrichtigen müssen, sowie ihr die Menschen gesehen habt.“
„Ich weiß.“
„Du bist doch vernünftig, Greif. Wenn es die anderen schon nicht sind. Wenigstens du hättest es besser wissen müssen. Ich weiß nicht, was du dir dabei gedacht hast, Feuer zu stehlen. Wenn du nur ein bisschen nachgedacht hättest ...“ Sie verstummte langsam, als könnte sie nicht mehr die Kraft aufbringen zu sprechen. Ihre Blicke wanderten zu Luna zurück und zu Roma, ihrer Mutter, die sie zärtlich berührte und leise zu ihr sprach. Luna antwortete nicht.
„Wann wird es ihr besser gehen?“, fragte Greif seine Mutter.
„Ich weiß es nicht.“ Dann, nach einer Pause, fügte sie hinzu: „Vielleicht nie.“
„Was meinst du damit?“ Er spürte, wie ihn Panik durchzuckte wie ein verwirrter Junikäfer, der die Luft mit den Flügeln peitscht und überall anstößt. Wollte seine Mutter sagen, sie könnte für den Rest ihres Lebens verkrüppelt sein? Dass sie nie wieder fliegen würde?
„Sie könnte sterben, Greif.“
Er runzelte die Stirn, verstand nicht, schüttelte den Kopf. „Aber ihr habt sie doch mit Heilsäften bedeckt, die Ältesten wissen doch, wie man solche Dinge in Ordnung bringt, oder nicht?“
„Sie ist sehr schwer verletzt.“
Das Fell um ihre Augen war nass von Tränen. Das hatte alles er angerichtet. Greif wusste, sie schämte sich jetzt für ihn. Er hatte sie so schrecklich enttäuscht, wie konnte sie ihn je wieder lieb haben? Und was würde sein Vater sagen?
„Was kann ich nur tun?“, fragte er. Seine Stimme klang ihm fremd, dünn und atemlos. Er wollte, dass seine Mutter ihm etwas Schwieriges oder Schmerzliches zu tun aufgab – alles wäre besser, als nur mit seinen Gefühlen eingefroren zu sein.
„ Es gibt nichts, was wir tun können“, sagte seine Mutter. „Wir müssen einfach warten.“
Er schaute sich um. Diesen Ort hatte er sein ganzes Leben lang so sehr geliebt; nun hatte er das Gefühl, er hätte nicht mehr das Recht, hier zu sein. All die anderen Mütter blickten ihn an – hassten ihn, er war sich sicher. Und Lunas Mutter – sie würde ihn am meisten hassen und für immer und ewig. Der Baum schien widerzuhallen von seiner eigenen Schande und seinem Kummer. Er konnte es nicht länger aushalten.
Greif flog los. Hinab und weg vom Lagerplatz der Heilerin, den ganzen Stamm hinab zum Grund des Baumhorts, wo Myriaden von Gängen sich zwischen den Wurzeln des Ahorns in die Erde wanden. Er wusste nicht, wohin er wollte, es war ihm auch egal. Er wollte nur immer tiefer nach unten, weit weg von
Weitere Kostenlose Bücher