Feuerflügel: Roman (German Edition)
und das Brusthaar und immer noch konnte er kein Leuchten erkennen. Stimmte etwas nicht mit diesen Fledermäusen? Vielleicht war dies irgendein komischer Scherz.
„Ich kann wirklich nichts sehen“, sagte er und versuchte dabei, ein nervöses Kichern zu unterdrücken. „Es tut mir Leid, wenn ich leuchte, aber ich habe wirklich ... nichts damit zu tun.“ Es hörte sich lächerlich an, aber er hielt es für das Beste, sich in diesem Augenblick für ungefähr alles zu entschuldigen. Er wünschte, diese Fledermäuse würden sich einfach zeigen.
„... Gespenst ...“, kam ein ängstliches Flüstern aus den Bäumen, und dann wurde dieses eine Wort quer über die Lichtung gerufen, um ihn herum, wie ein Wirbelsturm, immer schneller.
„... Gespenst ... ein Gespenst ... Gespenst, Gespenst, Gespenstgespenstgespenst ...“
Er hatte das Gefühl, er selber drehte sich, die Luft würde ihm vor der Nase weggefegt von diesem Malstrom flüsternder Stimmen. Sie glaubten, er wäre ein Gespenst. Sternenlicht in seinem Fell. Er erinnerte sich an seinen Sturz aus dem Himmel, wie schnell die Bäume hochgekommen waren, wie um ihn herum wild und vernichtend Äste geschlagen hatten. Dann nichts. Und dann Aufwachen ...
Lebend aufwachen?
Oder tot?
Greifs Atem gefror ihm in der Kehle. In Panik hüllte er sich in die Flügel ein, spürte die Wärme, die in seinem Fell gefangen war, fühlte seinen wilden Herzschlag. Ein schlagendes Herz. Das bedeutete: nicht tot. Lebendig.
„Ich bin kein Gespenst!“, schrie er, mehr, um sich selbst Mut zu machen als den anderen. „Ich bin ein Silberflügel! Ich habe mich nur verirrt!“
Stille dehnte sich lang, und für einen Augenblick fragte sich Greif, ob sie alle stillschweigend weggeflogen seien. Aber dann hörte er das Rascheln von Flügeln, die ausgebreitet wurden, das Quietschen von Krallen, die aus der Borke gezogen wurden, und ein Schauer von Fledermäusen tauchte aus den jeweiligen Verstecken auf. Neugierig umkreisten sie ihn, hielten jedoch Abstand.
Es waren alles Silberflügel, Männchen und auch Weibchen. Viele waren äußerst alt und sahen irgendwie räudig aus, noch mehr als Lukretia und die anderen uralten Ältesten daheim im Baumhort. Eine Menge dieser Fledermäuse hatte ein Fell, das aussah, als wäre es von einem Waschbär durchgekaut und dann wieder angeklebt worden.
Sogar einige der Jüngeren sahen ein wenig angegraut und außer Form gequetscht aus. Und die denken, ich sehe komisch aus, dachte Greif.
Seine Augen sprangen von einem zum anderen in der Hoffnung, jemanden zu erkennen. Eine Gruppe Fledermäuse teilte sich ehrerbietig und ein Weibchen mit silbernen Streifen, nicht älter als Ariel, seine Großmutter, flog auf ihn zu und ließ sich an dem Ast über ihm nieder. Von all den Silberflügeln, die er hier gesehen hatte, sah sie am normalsten aus, überhaupt nicht zerschlagen oder durchgekaut.
Obwohl sie verhältnismäßig jung war, verhielt sie sich wie jemand mit Autorität. Ihre Augen blickten ihn nicht direkt an, sondern wanderten über seinen Körper, als folgten sie einem beweglichen Muster. Wieder die Sache mit dem Leuchten, dachte sich Greif. Ihre Ohren waren misstrauisch nach vorne geneigt, wodurch sie eine grimmige Miene bekam, und ihm fiel auf, dass sie die Knie gebeugt hielt, als ob sie bereit sei, jeden Augenblick loszufliegen. Trotzdem, schon in der Gegenwart eines Erwachsenen zu sein beruhigte Greif und stimmte ihn hoffnungsvoller. Sie würde in der Lage sein, ihm zu helfen.
„Ich heiße Corona“, sagte sie. „Ich bin die oberste Älteste hier. Wo bist du her?“ Ihre Stimme war barsch, nicht unfreundlich, aber auch nicht gerade einladend. „Aus den nördlichen Wäldern. Vom Baumhort.“
Die Spitzen von Coronas Ohren zuckten zusammen und bildeten einen Gipfel, und Greif hörte, wie sich unter den anderen Fledermäusen ein aufgeregtes Quieken erhob.
„Von diesem Baum?“, fragte Corona – zornig oder ängstlich, Greif konnte es nicht erkennen.
„Ja“, stotterte er, „es ist tatsächlich ein Baum, genau genommen ein alter Silberahorn, aber wir sagen Baumhort. Es ist die Kinderstube unserer Kolonie.“ Coronas Ohren entspannten sich. „Ich verstehe“, sagte sie.
„Du hast also davon gehört?“, fragte Greif hoffnungsvoll. „Vielleicht kennst du Lukretia, sie ist unsere oberste Älteste, oder Ariel, sie ist in Wirklichkeit meine Großmutter, vielleicht hast du auch von ihr gehört ...“
Er verstummte, als Corona den Kopf schüttelte.
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