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Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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„Ich habe noch nie von diesem Ort gehört oder von diesen Ältesten.“
    „Nun, wie ist es mit dem Felsenlager? Das ist der Sommeraufenthalt der Männchen. Nahe am Meer.“
    „Ich weiß von keinem Meer hier.“
    Greif musste schlucken. „Wo bin ich?“
    „Dies ist die Oase.“
    Die Oase. Davon hatte er noch nie gehört. Aber schließlich wusste er auch nicht viel über die Welt. Er war nie über das Tal hinausgekommen, das den Baumhort beherbergte. Seine Mutter hatte ihm noch nicht einmal die Klangkarte zum Hibernaculum gesungen. „Aber wir sind doch in der Nähe der nördlichen Wälder, oder nicht?“, fragte er. „Vielleicht kannst du mir sagen, wie ich dorthin zurückkomme?“
    Wieder schüttelte Corona den Kopf. „Wie kommt es, dass du aus dem Himmel gefallen bist?“, wollte sie wissen.
    Greif verspannte sich. Diesen Teil der Geschichte wollte er jetzt eigentlich nicht erzählen. Sie glaubten sowieso schon, dass er komisch genug sei mit dem Leuchten und so. Aber er überlegte, dass er jetzt nicht mehr zurückkonnte. Er holte tief Luft.
    „Ich war in den Tunneln unter dem Baumhort, und es gab ein Erdbeben, und ich wurde durch so eine Einsturzsituation abgeschnitten, und der einzige Ausweg ging nach unten. Durch diesen Spalt im Fels. Da wehte eine Brise und ich dachte, die würde mich zur Oberfläche zurückbringen, aber sie ging noch etwas tiefer und tiefer, bis ich gefallen bin ... nun, genau genommen wurde ich vom Wind nach unten gesaugt. Ich konnte nicht anhalten und ich bin richtig schnell herausgekommen aus ... diesem Loch, denke ich ... und in euren ... hm ... Himmel.“
    Er wurde still und betrachtete Coronas Gesicht. Sie bewegte sich nicht, nur ihre Nasenlöcher weiteten und verengten sich wieder, während sie atmete.
    „Ich bin wirklich genauso verwirrt wie du“, sagte Greif. „Ich möchte nur nach Hause.“
    „Du bist kein Pilger?“, fragte Corona gespannt.
    „Nein. Ich meine, ich weiß nicht einmal, was ein Pilger ist“, antwortete er den Tränen nahe.
    „Es tut mir Leid, dass du dich verirrt hast“, sagte sie, ohne fürchterlich mitleidig zu klingen. „Vielleicht hat jemand anderes hier vom Baumhort gehört, aber ich bezweifle das. Außerhalb der Oase ist nur Wüste. Aber ich wünsche dir viel Glück auf deiner Reise.“
    Und damit nickte sie knapp und flog los. Die anderen Fledermäuse schossen hinter ihr her durch den Wald. „Reise?“, murmelte Greif. „Wie kann man annehmen, dass ich auf eine Reise gehe? Ich weiß nicht einmal, wohin ich gehen soll!“
    Und für einen Augenblick wurde seine Angst von Wut übermannt. Corona hatte ihm überhaupt nicht geholfen, hatte ihm nichts Nützliches gesagt! Sie wollte ihn nur loswerden! So behandelt man keinen anderen Silberflügel! Wenn sie nur wüsste, wer seine Eltern waren, wäre sie nicht so mit ihm umgegangen! Aber das war das Problem: Sie wusste anscheinend überhaupt nichts von seiner Kolonie oder der Gegend, aus der er kam. Dämliche Fledermaus. Er würde jemanden finden, der etwas wusste. In diesem Wald mussten jede Menge Fledermäuse sein. Von denen würde er Hinweise bekommen.
    Er hob von seinem Ast ab und flatterte zwischen die Bäume. Sofort wurde ihm klar, dass das nicht so einfach sein würde. Schon bei seinem Anblick zerstreuten sich die Silberflügel, als wäre er eine wahnsinnige Eule. Er konnte sich nicht bis auf fünfzig Flügelschläge nähern, ohne dass sie in Deckung flitzten. Muss an meinem Leuchten liegen, dachte er. Trotzdem, welche Angst konnte schon ein leuchtendes Junges verbreiten?
    Er versuchte, ihnen zuzurufen.
    „He da, entschuldigt, ich ...“
    „Ich frage mich, ob ihr wisst, wo ...“
    „Bitte, kümmert euch nicht um das Leuchten, ich wollte euch nur fragen ...“
    Es nützte nichts. Ohne Ausnahme ergriffen die Silberflügel die Flucht, bevor er mehr als ein paar Worte herausbringen konnte.
    „Diese Fledermäuse sind Jammerlappen“, sagte er. Sein Herz pochte, so verlassen fühlte er sich.
    Was sollte er jetzt tun? Er blickte wieder zum Himmel hinauf. Es gab noch kein Anzeichen des Mondes, aber die Sterne waren gewandert. Er fragte sich, wie lang es noch bis zum Morgengrauen war.
    Der Magen schmerzte ihm, und er fühlte sich dadurch merkwürdig beruhigt. Hunger. Etwas Vertrautes. Damit konnte er umgehen. Er erinnerte sich an dieses große Insekt, das er vorhin gesehen hatte. Es war ihm zwar nicht besonders appetitanregend erschienen, aber ein paar von denen wären das Gleiche wie tausend Moskitos.

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