Feuerflügel: Roman (German Edition)
aus dem Loch in den Himmel gekommen?
„Es ist nicht möglich“, sprach er ruhig zu sich selbst und versuchte, die Situation vernünftig zu erklären. „Ich meine, so etwas passiert einfach nicht. Es sei denn ... nun, wie wär’s hiermit? Der Tunnel führt direkt durch die ganze Erde und spuckt mich auf der anderen Seite in den Himmel aus, und irgendwie bin ich auf einer vollkommen anderen Welt gelandet?“ Sein Atem stockte. Das war schlimmer, viel schlimmer. Nun war er nicht einmal mehr in derselben Welt wie vorher?
Er legte die Flügel fest um sich und verhüllte den Kopf. Der Magen krampfte sich zusammen. Er versuchte, an etwas Positives zu denken. Wenigstens war er nicht tot. Mit einer solchen Landung hatte er noch Glück gehabt.
„Also, ich bin hier und ich bin nicht tot“, murmelte er laut, ohne sich im Geringsten glücklich zu fühlen. Er wünschte, dass dies alles jetzt vorbei wäre. Er wollte wieder im Baumhort sein. Er würde seiner Mutter gegenübertreten, den Ältesten. Luna. Vielleicht, wenn er nur schliefe, wäre ja alles wieder in Ordnung, wenn er aufwachte. Als ob er schlafen könnte.
Ängstlich faltete er die Flügel auseinander und sah sich noch einmal um. Der gleiche Wald. Die gleichen fremdartigen Sterne. Ein Käfer, größer und stachliger als jeder Käfer sein durfte, brummte ihm an der Nase vorbei, und Greif knurrte; für einen Augenblick war er abgelenkt.
„Was für ein hässliches Insekt“, sagte er. Aber er war zu niedergeschlagen, um es zu verfolgen. Er hatte auch keinen Hunger, er fühlte nur eine schwere niederschmetternde Verzweiflung.
Es musste hier noch andere Fledermäuse geben. Er sollte nachschauen. Vielleicht konnten sie ihm sagen, wo er war, ihm helfen, nach Hause zu kommen. Aber er blieb wie angewurzelt an seinem Rastplatz und blickte sich nur unruhig um. Dieser Ort hatte etwas Gespenstisches ... etwas stimmte nicht.
Dann dämmerte es ihm.
Kein Geruch.
Dieser Wald hatte überhaupt keinen Geruch. Er blies heftig durch die Nase, für den Fall, dass sie verstopft war, dann versuchte er es noch einmal. Kein kräftiger, lehmiger Duft von Erde, kein verrottendes Laub, kein scharfer Geschmack von Borke und Harz. Er schwang sich hoch auf den Ast und hielt die Nase dicht an ihn ran. Nichts. Er versuchte es mit einem Blatt ... das Gleiche. All dies hatte etwas furchtbar Irritierendes. Er runzelte die Stirn, als er die Blätter genauer betrachtete. Er konnte sie nicht eindeutig zuordnen. Vielleicht eine Art Eiche. Aber etwas weiter unten spross aus demselben Ast ein Büschel Kiefernnadeln. Blätter und Nadeln an dem gleichen Baum? Vollkommen verrückt. Instinktiv drückte er seinen ganzen Körper flach an die Rinde.
Er wurde beobachtet.
Nicht nur von einem Geschöpf, sondern von vielen. Sein Fell kribbelte unangenehm, als dutzende von Klang-Blicken ihn aus allen Richtungen bombardierten. Sie warfen einen gründlichen, ausführlichen Blick auf ihn. Mit seinem eigenen Echosehen tastete er vorsichtig die Äste ab und entdeckte eine Menge Fledermäuse, die sich tief in den Bäumen aufhielten. Er entspannte sich ein wenig. Er hatte befürchtet, es könnten Eulen sein. Aber warum hingen sie einfach still da und starrten ihn an?
„Hallo?“, rief er.
Sein Gruß löste ein allgemeines Luftschnappen aus, ein kurzes Schweigen und dann einen Chor gedämpften Zirpens.
„... aus dem Himmel gefallen ...“
„... Corona hat ihn gesehen ...“
„... ist runtergekommen wie eine Sternschnuppe ...“ „... kein Vampyrum ...“
„... vielleicht ein Pilger...“
Ein Pilger? Greif begann der Kopf wehzutun von der Anstrengung, all diese gedämpften Stimmen zu erfassen.
„... schaut ihn an ...“
„... an den Flügeln, seht ihr ...“
„... wie sich das Licht bewegt ...“
„... sein Leuchten ...“
Leuchten?, fragte sich Greif alarmiert und betrachtete seine Flügel. Er leuchtete nicht. Wovon redeten die eigentlich?
„Oh, meint ihr mein Fell?“, rief er in der Hoffnung, die Verwirrung aufzuklären. „Mein Vater ist ein Silberflügel, aber meine Mutter ist ein Glanzflügel, deshalb habe ich wohl Fell von beiden abbekommen. Deshalb habe ich all diese Streifen helles Haar. Vielleicht habt ihr deshalb geglaubt, ich leuchte ... wisst ihr, nur der, hm, Gegensatz zwischen dem dunklen Fell und dem hellen? Es sieht ziemlich komisch aus, ich weiß ...“
Entmutigt verstummte er. Er hatte nicht das Gefühl, irgendjemanden zu überzeugen. Noch einmal betrachtete er seine Flügel
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