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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Das passiert immer wieder. Ich habe manchmal das Gefühl, daß die Buchhaltungs-Computer von Schimpansen programmiert werden.“ Sie hatte die umständlich-bürokratische Prozedur der Beantragung von Not-Krediten einige Male durchmachen müssen, wenn ihre Überweisungen falsch kodiert oder fehlgeleitet worden waren. „Sie brauchen dann nur..“
    „Die Verwaltung ist für den Irrtum verantwortlich.“
    Laenea wartete darauf, daß er ihr nähere Erklärungen geben würde, aber er grinste nur, amüsiert, ohne jedes Selbstmitleid. Jetzt sah er noch jünger aus, als er war. „Ich bin nicht daran gewöhnt, Geld auszugeben, mit Ausnahme von … unnötigen Dingen.“
    „Luxus?“
    „Ja. Für Dinge, die wir auf Twilight nur selten haben wollen, die wir eigentlich nicht brauchen; jedenfalls ich brauche sie nicht. Aber essen, einen Ort zum Schlafen …“ Wieder zuckte er die Schultern. „Solche Lebensnotwendigkeiten sind auf den Siedlerwelten frei. Als wir zur Erde kamen, habe ich einfach vergessen, einen Kredit-Transfer zu beantragen.“ Er wurde ein wenig rot. „Das wird mir nicht noch einmal passieren. Ich habe eine Mahlzeit und eine Nacht Schlaf ausfallen lassen – aber ich habe schon mehr ausfallen lassen, als ich auf Twilight war und wirklich arbeiten mußte.“
    „Aber jetzt brauchen Sie nicht zu hungern“, sagte Laenea. „Sie können …“
    „Ich respektiere Ihre Gewohnheiten“, sagte Radu. „Aber meine Leute borgen niemals und akzeptieren keine Gabe, die widerwillig angeboten wird.“
    Laenea stand auf und streckte ihre Hand aus. „Ich biete niemals etwas widerwillig an. Kommen Sie.“
    Seine Hand war warm und hart, wie poliertes Holz.
     
    Sie fuhren mit dem Lift zum Oberdeck der schwimmenden Insel und traten in die beginnende Dämmerung hinaus. Die Luft war feucht, und dichter Nebel hing über der See. Himmel und Meer waren ein gleichförmiges Grau. Kein Windhauch deutete die Konturen des Wassers an oder die Grenzen der Nebel, aber die Luft war kalt. Laenea zog Radu unter ihren Umhang. Ein leichter Regen, fast unspürbar, sammelte sich in winzigen, glitzernden Tropfen auf Radus dunklem Haar. Es wirkte silbrig in dem Kunstlicht der Lampen.
    „Jetzt ist es wie auf Twilight“, sagte er. „So sind unsere Winter-regen.“ Er streckte die Hand aus, die Fläche nach oben gewandt, fing mit ihr den feinen Regen auf und sah, wie sich aus der Feuchtigkeit winzige Tropfen bildeten. Laenea erkannte an seinem Tonfall, daß er von einem heftigen, verzweifelten Heimweh gepackt wurde. Sie sagte nichts, weil sie aus Erfahrung wußte, daß Worte in diesem Zustand keine Hilfe waren. Der Schmerz brauchte seine Zeit, um abklingen zu können, und das Gewöhnen an andere Orte. Bisher hatte Radu weder Zeit noch Gelegenheit gehabt, sich an die Erde zu gewöhnen. Aber jetzt stand er neben ihr, starrte in den Nebel, und sie hatte den Eindruck, daß er andere Kontinente sah, andere Sterne. Sie legte ihren Arm um seine Schultern, um ihn zu trösten.
    „Wir werden zu Fuß zur Ostseite gehen.“ Laenea war lange in geschlossenen Räumen festgehalten worden, beim Studium, Training und Tests und schließlich im Krankenhaus, genau wie er auf Schiffen und in Quarantäne-Stationen. Sie brauchte jetzt frische Luft und Regen und die Stille des Ozeans.
    Der Gehweg verlief an der Kante der stählernen Insel entlang. Nur ein hüfthohes Geländer war zwischen ihnen und einem zehn Meter tiefen Sturz in die See. Winzige Wellen schlugen gegen die Stahlwand. Laenea und Radu gingen langsam, schweigend. Laenea warf dem Mann an ihrer Seite immer wieder einen raschen, verstohlenen Blick zu und fragte sich verwundert, warum sie nicht vom ersten Augenblick an erkannt hatte, wie schön sein Gesicht war. Ihr Herz rotierte mit halber Kraft in ihrer Brust, ruhig, entspannt, und ihre Perzeption wechselte von fiebriger Klarheit zu nebeliger Sanftheit. Sie schien von einem weichen Schleier umgeben, beschützt. Sie bemerkte, daß Radu sie verstohlen anblickte, öfter als sie ihn ansah. Die Kälte drang durch den Stoff des Umhangs, und sie drängten näher zueinander. Es schien nur natürlich, daß auch Radu seinen Arm um sie legte, und so, eng umschlungen, gingen sie weiter.
    „Wirkliche Arbeit …“, sagte Laenea nachdenklich.
    „Ja. – Harte Arbeit für Kopf und Muskeln.“ Er nahm den anderen Faden ihres vorangegangenen Gesprächs wieder auf, als ob es nie unterbrochen worden wäre. „Wir tun alles selbst. Twilight ist zu neu für Maschinen. Die

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