Feuerflut
es Laenea. „Sie haben sich immer gegen den Schlaf gewehrt. Manchmal hatte ich Angst, Sie könnten wieder aufwachen.“
„Ach, Ramona, machen Sie dem Kind doch nicht Angst.“
„Angst machen? Dieser Tigerin?“
Seltsamerweise fühlte Laenea sich nicht beunruhigt von der Vorstellung, daß sie Gefahr gelaufen war, im Transit zu erwachen. Sie war aber nicht aufgewacht, sonst wäre sie jetzt tot. Sie wäre innerhalb kürzester Zeit verwelkt und an Altersschwäche gestorben, da ihr Körper an die normale Zeit und den normalen Raum gebunden war, an die Relation zwischen Zeit-Dilatation und Geschwindigkeit und Entfernung durch Milliarden Jahre der Evolution, planetarische, lunare, solare und biologische Rhythmen: im subatomaren Bereich, soweit es Laenea oder sonst jemand wußte. Aber von all dem war sie jetzt befreit.
Sie kippte die Hälfte ihres Drinks mit einem Zug. Die Luft war jetzt kalt an ihren nackten Armen und Brüsten. Sie legte das Cape wieder um ihre Schultern und wartete, daß die Seide von ihrem Körper erwärmt wurde.
„Wann bekommen Sie Ihr Schiff?“
„Frühestens in einem Monat.“ Die Zeit kam ihr wie eine Ewigkeit der Leere vor. Sie hatte ihr Studium und ihr Training hinter sich. Jetzt hielt sie nur noch ihr sterblicher Körper auf der Erde zurück.
„Sie wollen warten, bis Sie völlig geheilt sind.“
„Das ist zu lange. – Wie können sie mir zumuten, so lange zu warten?“
„Es ist nötig.“
„Ich will wissen, was passiert. Ich muß es wissen. – Wann ist Ihr nächster Flug?“
„Bald“, sagte Ramona-Teresa.
„Nehmen Sie mich mit!“
„Nein, Kleines. Das wäre illegal.“
„Illegal! Wir müssen unsere eigenen Gesetze machen, anstatt uns an die ihren zu halten! Sie haben keine Ahnung, was für uns richtig ist.“
Miikala und Ramona-Teresa blickten einander an. Eine ganze Weile. Vielleicht sprachen sie miteinander mittels ihrer Augen und ihres Gesichtsausdrucks, aber Laenea verstand diese Sprache nicht.
„Nein.“ Ramonas Ton schloß jedes weitere Argument aus.
„Wenigstens könnten Sie mir sagen …“ Sie sah sofort, daß das nicht der richtige Weg war. Die Gesichter der beiden Piloten wurden ablehnend, verschlossen. Aber Laenea fühlte weder Schuld noch Reue, sie war nur wütend.
„Es liegt nicht daran, daß Sie es nicht können! Sie sprechen doch untereinander davon. Das weiß ich jetzt. Sagen Sie mir nur nicht, daß es nicht stimmt.“
„Nein“, sagte Miikala. „Wir behaupten nicht, daß wir niemals darüber sprechen.“
„Sie sind egoistisch und grausam.“ Laenea stand auf und hatte Angst, sie könnte wieder zusammenbrechen und auf ihre Hilfe angewiesen sein. Ramona und Miikala nickten einander zu, mit einem wissenden, aufreizenden Lächeln.
„Sie braucht es“, sagte einer der beiden, und Laenea wußte nicht einmal, wer von ihnen es war. Sie wandte ihnen den Rücken zu und stieg aus der Konversationsgrube.
Sie ging zu einem Sessel bei der durchsichtigen Wand und lehnte ihr Gesicht gegen das Glas. Sie spürte seine Kühle an ihrer Haut. Groteske Fische und Pflanzen glitten durch die Helligkeitszonen der Flutlichter. Laenea entspannte sich. Sie fragte sich, ob sie dort draußen die Sequenz der Gezeiten erkennen könnte, wenn sie lange genug sitzen bliebe und beobachtete, ob es immer dieselben Pflanzen-Kreaturen waren, die in diese und die andere Richtung an der Glaswand des Stabilisators vorbeigetrieben wurden, beherrscht von den Kräften der Sonne und des Mondes.
Ihr Alleinsein wurde nur ein wenig gestört durch einen Mann, der schlafend oder bewußtlos wenige Schritte von ihr entfernt auf dem dicken Teppichbelag ruhte. Sie kannte ihn nicht, aber er mußte von einer Crew sein. Seine dunkle, eng anliegende Kleidung war auf eine unauffällige Art ungewöhnlich, in Material und Schnitt, so daß er vielleicht von einer anderen Welt stammte. Er mußte neu sein. Die Erde war das Handelszentrum. Es gab kein Schiff, das nicht früher oder später in ihren Orbit eintrat. Neue Mitglieder von Crews kamen zumindest einmal hierher. Junge Mitglieder einer Crew besuchten normalerweise jede Welt, die für sie neu war, zumindest einmal, wenn ihnen die Zeit blieb, die Quarantäne zu absolvieren. Laenea hatte es selbst erfahren. Aber die Quarantäne war so notwendig und so streng, daß sie, genau wie alle anderen Veteranen, schließlich für eine bestimmte Welt akklimatisiert und während des Orbits um andere Planeten an Bord blieb.
Der schlafende Mann war ein paar
Weitere Kostenlose Bücher