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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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durchlaufen. Wenn ich es täte und wenn sie dann beschließen würden, uns nicht auszusenden – Dark, ich würde niemals wieder fliegen können. Nicht in dieser Gravitation. Es gibt zu viele Veränderungen. Sie würden meine Haut verstärken und mich noch einmal zurückentwickeln, so daß ich nicht mehr Federn, sondern Schuppen auf meinen Flügeln hätte. Sie würden meine Augen abschirmen und mein Gesicht für die Filter umformen.“
    „Es geht euch nicht um das Fliegen“, sagte Dark.
    „Doch. Das Risiko ist zu groß.“
    „Nein. Was euch Kummer macht, ist dies: Wenn ihr fertig wäret, wäret ihr nicht mehr schön. Ihr wäret häßlich, genau wie ich.“
    „Das ist unfair.“
    „Wirklich? Ist das der Grund, weshalb deine Leute sich so bereitwillig um mich scharen, um zu hören, was ich zu sagen habe?“
    Häher erhob sich langsam, und seine Schwingen entfalteten sich über ihm. Dark erwartete, daß er jetzt den Berghang hinuntergleiten und sie allein lassen würde, damit sie ihre Beleidigungen den Wolken und den Steinen entgegenschleudern konnte. Aber statt dessen spreizte er seine wunderschönen blauen Flügel mit ihren schwarzen Spitzen, reckte sie in die Luft und bog sie über Dark herunter, so daß sie über ihren Rückenkamm strichen. Ein Schauer überlief sie.
    „Es tut mir leid“, sagte er. „Wir haben uns daran gewöhnt, schön zu sein. Ich auch. Sie hätten uns eben nicht phasenweise konstruieren sollen, sondern ganz und auf einmal. Aber das haben sie nicht, und jetzt ist es schwer für uns, weil wir daran denken müssen, wie wir einmal waren.“
    Dark starrte Häher an. Sie suchte nach Überresten dessen, was er gewesen war, bevor er ein Flieger wurde, und endlich verstand sie, weshalb er beschlossen hatte, etwas anderes als ein Mensch zu werden. Bis jetzt hatte sie nur sein glänzendes Gefieder gesehen, seine leuchtenden Augen und die künstliche Zierlichkeit seiner Glieder. Jetzt aber sah sie seine ursprünglichen Proportionen, die versteckte Plumpheit seiner Gesichtszüge, und sie sah, wie er ausgesehen haben mußte.
    Er war vielleicht nicht verwachsen gewesen wie Dark. Aber auch nie hübsch, nicht einmal unscheinbar. Sie starrte ihn an. Keiner von ihnen zwinkerte mit den Augen. Für ihn muß es schwerer sein, dachte Dark. Ihre Augen waren abgeschirmt, seine waren nur von langen, dichten, dunklen Wimpern umgeben.
    Seine Augen standen zu eng beieinander. Das war etwas, was die Virus-Umformung wohl nicht hatte beheben können.
    „Ich verstehe „, sagte sie. „Ihr könnt uns nicht helfen, weil wir vielleicht Erfolg haben würden.“
    „Du darfst uns nicht hassen.“
    Sie wandte sich ab, ihr Panzer kratzte über den Felsen. „Was kümmert es dich, wenn eine so abstoßende Kreatur wie ich euch haßt?“
    „Es kümmert mich“, sagte er sehr ruhig.
    Dark wußte, daß sie unfair war, gegen ihn und vielleicht auch gegen seine Art, aber sie hatte kein Mitgefühl mehr. Am liebsten hätte sie sich irgendwohin verkrochen und geweint.
    „Wann kommen die Menschen, um mich zu holen?“
    „Wann es ihnen paßt“, antwortete er. „Aber ich habe den andern ein Versprechen abgenommen. Sie werden dich nicht vor morgen früh auffordern zu gehen. Und wenn wir dich dann nicht finden können – du hast noch Zeit zu entkommen, wenn du dich beeilst.“
    Dark wirbelte herum, schneller als sie es sich selbst zugetraut hätte. Ihr Panzer schlug Funken, aber sie glimmten nur kurz und verloschen sogleich.
    „Wohin sollte ich gehen? Irgendwohin, wo niemand mich je sehen wird? Unter die Erde, ganz allein, für immer?“ Sie dachte an den Berg und seine Gefahren, aber das bedeutete jetzt nichts mehr. „Nein“, sagte sie. „Ich werde auf sie warten.“
    „Aber du weißt nicht, wozu sie imstande sind! Ich habe dir gesagt, was sie mit uns gemacht haben …“
    „Ich glaube kaum, daß sie mich vom Himmel herunterschießen werden.“
    „Das ist kein Spaß! Sie zerstören alles, die Dinge, die sie lieben, und die Dinge, die sie fürchten …“
    „Das kümmert mich nicht mehr“, sagte Dark. „Geh fort, Flieger. Geh zu deinen Spielen und zu deinen Illusionen von Schönheit.“
    Er funkelte sie zornerfüllt an, drehte sich um und schnellte in die Luft. Sie sah ihm nicht nach, sondern zog sich ganz in ihren Panzer zurück und wartete.
    Irgendwann in der Nacht schlief sie ein. Sie träumte von der Feuerflut, sie fühlte ihre Hitze und hörte ihr Tosen.
    Als sie erwachte, schien ihr die aufgehende Sonne direkt in die

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