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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Sie sollten ihn wenigstens probieren.“
    Er hob den Kopf. Vielleicht hatte er nicht auf ihr Glas gestarrt, sondern ins Nichts. Er nahm das Glas auf, roch daran und nahm einen vorsichtigen Schluck.
    „Ich begreife jetzt, warum wir zu Hause nur sehr selten Wein trinken.“
    Laenea nahm wieder einen kleinen Schluck, konnte aber nichts Ungewöhnliches schmecken. „Wenn Sie keinen Wein mögen …“
    Er lächelte. „Das, was wir auf Twilight haben, schmeckt mir nicht“, sagte er. „Es ist Seewasser im Vergleich mit diesem Wein.“
    Laenea war so hungrig, daß ein halbes Glas Wein sie schon leicht berauschte. Sie war dankbar, als Andrew eine Schüssel mit einer dicken, scharf gewürzten Suppe brachte. Auch Radu war sehr hungrig oder konnte keinen Alkohol vertragen, denn seine Reserviertheit ließ spürbar nach. Sein Körper entkrampfte sich, er wirkte nicht mehr wie ein Mann, der ständig auf dem Sprung war, bei dem man in jeder Sekunde befürchten mußte, daß er Andrew beim Arm packen und den ruhigen alten Mann fragen würde, weshalb er hier blieb und untergeordnete Dienste für alle möglichen Menschen leistete. Und obwohl er immer wieder zu Laenea hinüberblickte – er beobachtete sie beinahe –, sah er nicht mehr wie ertappt fort, wenn ihre Blicke sich trafen.
    Sie empfand seine Aufmerksamkeit nicht als störend, nur unerklärlich. Es war schon oft geschehen, daß sie sich von Männern angezogen fühlte – und Männer von ihr –, und häufig war dieses Interesse auch gegenseitig gewesen. Radu war überaus anziehend, stellte sie wieder fest. Aber seine Empfindung ihr gegenüber war offensichtlich bedeutend stärker. Was er von ihr wollte, war viel mehr als nur Sex. Laenea saß eine Weile schweigend, dachte nach – und fand keine Antwort. Die Spannung wurde stärker, bis Laenea sie spürte, nur periphär anfangs, dann klar und scharf, fast wie eine ernste Meinungsverschiedenheit, die sie von Radu trennte. Er wirkte ruhig, aber seine Ruhe war eine Pose, erkannte sie, als sie auf seine Hand blickte, die zur Faust geballt neben dem unberührten Suppenteller lag.
    „Sie …“
    „Ich …“, sagte er fast gleichzeitig.
    Sie schwiegen beide. Radu wirkte erleichtert. Nach einer kurzen Pause fuhr Laenea fort. „Sie sind hergekommen, um die Erde zu sehen. Aber Sie haben bis jetzt nicht einmal den Hafen verlassen.
    Sicher haben Sie interessantere Pläne gehabt, als mir beim Schlafen zuzusehen.“
    Er wich ihrem Blick aus, sah sie wieder an und öffnete langsam die Faust. Dann berührte er den Rand seines Weinglases mit den Fingerspitzen.
    „Ich weiß, es ist eine indiskrete Frage“, gab Laenea zu, „aber ich glaube, daß ich ein Recht darauf habe, sie zu stellen.“
    „Ich wollte bei Ihnen bleiben“, sagte er langsam, und Laenea erinnerte sich, daß sie dieselben Worte gehört hatte, als sie nach dem Schlafen in einen halbwachen Dämmerzustand verfallen war.
    „Ich erinnere mich an Sie …, haben Sie gesagt.“
    Er lief rot an. „Ich hatte gehofft, Sie hätten es vergessen.“
    „Sagen Sie mir, was Sie damit gemeint haben.“
    „Es klingt albern und kindisch und romantisch.“
    Sie hob eine Braue, eine stumme Frage.
    „Ich habe das Gefühl, seit gestern in einem unglaublichen Traum zu leben …“
    „Ich hoffe, daß es kein Alptraum ist“, sagte sie trocken.
    „Sie geben mir etwas, das ich mir seit Jahren gewünscht habe.“
    „Und was ist das?“
    „Ihre Hand. Ihr Lächeln. Ihre Zeit …“ Seine Stimme klang sehr weich und wieder zögernd. Er atmete tief durch. „Als die Seuche ausbrach – auf Twilight –, starb mein ganzer Clan, acht Erwachsene und vier Kinder. Ich bin auch beinahe gestorben …“ Seine Finger tasteten über seine narbenübersäte Wange. Eine instinktive, unbewußte Geste, erkannte Laenea. „Im letzten Augenblick traf das Serum ein, und ich wurde gesund. Die Crew des Schiffes, das uns das rettende Serum brachte …“
    „Wir sind mehrere Wochen geblieben“, sagte Laenea. Einige Details ihres einzigen Trips nach Twilight fielen ihr ein: die Kolonie, die unmittelbar vor ihrem totalen Zusammenbruch stand, die Todkranken, die versuchten, den Sterbenden zu helfen.
    „Sie waren das erste Crewmitglied, das ich jemals sah, der erste Mensch von einer anderen Welt. Sie haben mein Volk gerettet, mein Leben …“
    „Radu, das habe ich doch nicht allein getan!“
    „Ich weiß. Das war mir auch schon damals bewußt. Aber es spielt keine Rolle. Ich war so lange krank gewesen, und als

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