Feuerflut
wollte sie lieber selbst entdecken.
Ramona-Teresa blieb vor ihrem Tisch stehen, sah Radu nur flüchtig an und stellte fest, daß er zu den Leuten gehörte, die man von vornherein ignorieren sollte. „Sie wollen, daß Sie sofort zurückkommen“, sagte sie zu Laenea.
Laenea hatte die Ärzte und Administratoren, die ihre Abwesenheit bestimmt nicht so ruhig und selbstverständlich aufnahmen wie die Piloten, fast vergessen. „Haben Sie ihnen gesagt, wo ich bin?“ Sie wußte sofort, daß dies eine taktlose Frage war. „Entschuldigen Sie.“
„Sie wollen uns nie vergessen lassen, daß sie die Fäden ziehen. Manchmal ist es leichter, sie in diesem Glauben zu lassen.“
„Danke“, sagte Laenea, „aber ich habe genug von Tests und Plastikschläuchen.“ Sie fühlte sich frei zu tun, was sie wollte. Man würde sie auf keinen Fall strafweise zum Bodenpersonal versetzen. Dazu war sie zu wertvoll. Niemand würde ihr wegen dieser kleinen Extravaganz Vorwürfe machen. Jeder wußte doch, daß alle Piloten verrückt waren.
„Benutzen Sie nicht Ihre Kreditkarte.“
„Danke.“ Sie erkannte, wie leicht man ihr damit auf die Spur kommen konnte, und wünschte, sie hätte es. sich nicht zur Gewohnheit gemacht, niemals Bargeld bei sich zu haben. „Ramona, bitte leihen Sie mir etwas Geld.“
Jetzt sah Ramona den Mann von Twilight an, abschätzend, mißbilligend. „Es wäre besser, wenn Sie zu uns kommen würden.“
Radu lief rot an. Sie ließ keinen Zweifel daran, daß sie nur Laenea meinte und ihn ausschloß.
„Ich bin anderer Meinung“, sagte Laenea kühl. Das matte, bläuliche Licht färbte Ramonas graues Haar silbrig, als sie in die Innentasche ihrer Jacke griff und einen Packen Scheine herauszog. Sie reichte ihn Laenea. „Ihr jungen Leute seid so unvernünftig. Ihr plant nie voraus.“ Laenea begriff nicht, was sie ihr damit sagen wollte, und sie hatte auch keine Gelegenheit, danach zu fragen. Ramona-Teresa wandte sich um und ging.
Laenea schob die Geldscheine in ihre Hosentasche. Sie war etwas verärgert, nicht so sehr darüber, daß sie Ramona hatte um das Geld bitten müssen, sondern weil Ramona so sicher gewesen war, daß sie es brauchen würde.
„Vielleicht hat sie recht“, sagte Radu langsam. „Piloten und Crew …“
Sie legte wieder ihre Hand auf die seine, strich mit den Fingerspitzen über die starken, feingliedrigen Gelenke. „Sie hätte nicht so überheblich sein dürfen. Was gehen wir sie an?“
„Sie war … ich habe noch nie einen Menschen wie sie kennengelernt. In ihrer Gegenwart habe ich geglaubt, von einer völlig anderen Rasse zu sein … sie war so … weit entfernt, daß ich den Eindruck hatte, daß wir nicht einmal miteinander sprechen könnten.“ Er grinste – ein kurzes, weißes Aufblitzen hinter seinem struppigen Schnurrbart –, und die Lachfalten auf seinen Wangen vertieften sich. „Selbst wenn sie darauf Wert gelegt hätte.“ Mit der freien Hand streichelte er ihren Ärmel. Sie konnte seinen Pulsschlag fühlen, rasch und erregt. Als ob seine Berührung einen elektrischen Stromkreis geschlossen hätte, spürte Laenea ein angenehmes Kribbeln in ihrem Arm.
„Radu, hast du jemals einen Piloten oder ein Mitglied der Crew kennengelernt, das nicht ganz anders war als alle, die du vorher gekannt hast? Ich nicht. Wir sind schon so geboren. Ramona ist nicht erst durch den Transit so geworden, wie sie ist.“
Er sagte nichts, weil er von der Richtigkeit ihrer Worte genausowenig überzeugt war wie sie.
„Aber darauf kommt es gar nicht an“, sagte Laenea.
Der unglückliche Ausdruck glitt von Radus Gesicht, und es wurde wieder fröhlich. Aber die Unsicherheit blieb.
Sie beendeten ihr Mahl schweigend, in erwartungsvoller Spannung, und schenkten dem ausgezeichneten Essen nicht die Aufmerksamkeit, die es verdiente. Laenea ärgerte sich, daß sie sich mit einer so albernen Sache überhaupt befassen mußte, aber sie überlegte doch, wie sie sich ihre Freiheit erhalten konnte. Sie wünschte, daß Kathell Stafford noch auf der Insel wäre; sie war der einzige Mensch, der ihr wirklich helfen konnte. Sie hatte ihr bereits geholfen, und wie immer, ohne es zu wollen.
Aber die Situation war nicht wirklich ernst. Wenn sie sich vornahm, den Nachstellungen der Administration möglichst lange zu entgehen, so war es vor allem eine Frage des Stolzes und des persönlichen Ehrgeizes. „Idioten …“, murmelte sie.
„Vielleicht haben sie einen bestimmten Grund, warum sie dich wieder im
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