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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Sie hatten schon mit der Wende begonnen; die Sterne um sie herum verschoben sich.
    Er zuckte die Achseln, seine Flügel bewegten sich dabei nicht. „Vielleicht ein wenig.“ Er sah sie eine Weile an, ohne etwas zu sagen. „Großmutter, du weißt, daß der Planet kleiner ist, als wir geglaubt haben.“
    Sie sah zu der mit weißem Nebel bedeckten, halb im Schatten liegenden Kugel hinauf. „Sicher nicht sehr viel kleiner.“
    „Erheblich. Seine Masse ist sehr viel dichter als auf unserer Welt. Die Oberflächengravitation wird höher sein.“
    „Um wieviel?“
    „Soviel, daß es für unser Volk unbequem wäre.“
    Der Konjunktiv und seine Implikationen ließen Angst in ihr hochsteigen. „Unser Volk ist schwach. Laß den Rat die Empfehlung geben, in die erste Ebene umzuziehen.“
    „Niemand würde das tun, Großmutter.“ Obwohl er niemals flog, klang seine Stimme traurig.
    „Willst du damit sagen, daß wir nicht landen?“
    „Wie können wir das? Niemand könnte dort leben.“
    „Niemand?“
    „Du bist alt, Großmutter.“
    „Und des Segelns müde. Ich will wieder fliegen.“
    „Auf dieser Welt könnte niemand fliegen.“
    „Woher willst du das wissen? Du fliegst ja nicht einmal in der Kammer.“
    Er starrte hinunter auf die schimmernden, halb gefalteten Segel. „Mit ihnen fliege ich. Andere Flügel braucht unser Volk nicht.“
    Die Alte bewegte ihre Flügelfinger auf und zu; die Membranen öffneten sich, schlössen sich, und öffneten sich wieder. „Glaubt das jeder hier?“
    „Es ist wahr. Die Segel haben uns zwei Generationen lang getragen. Weshalb sollten wir sie jetzt aufgeben?“
    „Wie können wir uns so sehr auf sie verlassen? Enkelsohn, wir sind auf dieses Schiff gegangen, um uns zu prüfen, und du sagst, wir werden uns dieser Prüfung entziehen.“
    „Ehrgeiz und Bedürfnisse eines Volkes können sich ändern.“
    „Und seine Instinkte?“
    Noch vor ihm wußte sie, was seine Antwort sein würde. „Selbst die, glaube ich.“
    Die Alte sah hinaus und durch das All. Sie konnte nicht navigieren, aber sie konnte ihre Flugbahn abschätzen. Man hatte niemals die Absicht gehabt, in den Orbit einzuschwenken. Das Schiff würde um den Planeten herumziehen, sich daran vorbeikatapultieren und weitersegeln.
    „Wir haben uns auf einer ganzen Welt eingesperrt gefühlt“, sagte die Alte. „Wie können unsere Kinder auf dieser langweiligen Konstruktion zufrieden sein?“
    „Bitte versuche zu verstehen. Versuche, die Vorteile unserer Sicherheit hier anzunehmen.“ Er berührte ihre Hand, sanft und mit eingezogenen Krallen. „Es tut mir leid.“
    Sie wandte ihm den Rücken zu; die fehlende Schwerkraft zwang sie dabei zu unbeholfenen Schwimmbewegungen. Sie kehrte in die unteren Abteilungen der Wohneinheit zurück. Die Entscheidung, nicht zu landen, empfand sie beinahe wie eine körperliche Verletzung. Das Schiff konnte ihr Leben nicht länger aufrechterhalten.
    In ihrer Kabine traf sie das Jungwesen. „Wollen wir fliegen?“
    Sie kauerte sich in die Ecke am Fenster. „Es gibt keinen Grund zu fliegen.“
    „Was ist geschehen?“ Das Jungwesen hockte sich zu ihr.
    „Ihr müßt mich verlassen und vergessen. Morgen werde ich nicht mehr da sein.“
    „Aber ich komme mit!“
    Sie ergriff die Hand des Jungwesens und streckte ihre Silberkrallen über das schwarzbraun gemusterte Fell. „Es wird niemand sonst landen. Ihr wäret allein.“
    Das Jungwesen begriff, was sie vorhatte. „Bleib auf dem Schiff.“ Seine Stimme klang mehr als flehend.
    „Was ich tue, ist unwichtig. Wenn ich bleibe, werde ich sterben, und Ihr werdet trauern. Wenn ich fortgehe, werdet Ihr ebenso trauern. Aber wenn ich Euch gestatte mitzukommen, raube ich Euer Leben.“
    „Es ist mein Leben.“
    „Ah“, sagte sie traurig, „Ihr seid so jung.“
    Die Alte zog eine Flasche mit warmem, rotem Wein hervor. Während sich neben ihnen der Himmel taumelnd drehte, tranken sie und das Jungwesen gemeinsam die dicke, salzige Flüssigkeit, und sie vergaßen ihren Schmerz, je mehr der Rausch ihren Kopf erfüllte. Das Jungwesen streichelte der Alten über Wange, Hals und Körper. „Willst du noch eines für mich tun, bevor du gehst?“
    „Was wollt Ihr?“
    „Teile das Lager mit mir. Hilf mir, mich zu wandeln.“
    Nach all dem Wein fühlte sie sich halb amüsiert von der Hartnäckigkeit und Naivität des Jungwesens. „Das ist etwas, was ihr mit Eurer Gefährtin tun solltet.“
    „Ich muß mich bald wandeln, und es gibt sonst keine, die ich

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