Feuerflut
äußerlichen Veränderungen würden geringfügig sein. Die Alte fühlte, wie die Körpertemperatur ihres Liebhabers anstieg, als sein Stoffwechsel sich beschleunigte, um die hormonalen Veränderungen auszulösen.
„Ich fühle mich sehr schwach“, wisperte das Jungwesen.
„Das ist normal. Es geht vorüber.“
Es entspannte sich in ihren Flügeln.
Die Sonne ging unter, und die Dämmerung senkte sich über das Land. Die beiden vollen Monde gingen auf. Die Sterne bildeten einen dichten Schleier über den Fliegern. Ganz ruhig lagen sie beieinander, die Alte streichelte ihren Liebhaber, um die Spannung in seinen Muskeln zu mildern, und mit der Umhüllung ihrer Flügel half sie das notwendige Fieber aufrechtzuerhalten. Als die Dunkelheit hereinbrach, wurde es kühl in der Wüste; Geräusche rührten sich um sie her, und Düfte kamen und gingen mit dem Erwachen der nächtlichen Geschöpfe. In der Nacht wirkte die Welt noch fremdartiger.
„Bist du da?“ Seine Augen waren weit offen, aber die Pupillen waren schmale Schlitze, und an seinem Hals standen die Sehnen angespannt hervor.
„Natürlich.“
„Ich wußte nicht, daß es weh tun würde … Ich bin froh, daß du da bist …“
„Wir alle überleben den Übergang“, sagte sie sanft. Aber etwas an dieser Welt oder der sich Wandelnde selbst machte diesen Übergang schwierig.
Sie hielt ihn die ganze Nacht umschlungen, während er sich murmelnd umherwarf; ihrer Gegenwart war er sich nicht bewußt. Als der Morgen graute, fiel er in einen tiefen Schlaf, und die Alte fühlte sich ebenso erschöpft. Die Sonne ließ den Sternenschleier verblassen und wärmte die beiden Flieger; die Geschöpfe, die in der Dunkelheit um sie herumgekrochen waren, kehrten in ihre Schlupflöcher zurück. Die Alte ließ ihren Geliebten zurück und stieg auf eine Düne hinauf.
Als sie zurückkehrte, erwachte der junge Erwachsene gerade. Sie landete hinter ihm; er hörte sie und wandte sich um. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, und Freude trat an die Stelle von Schmerz.
„Wie fühlst du dich?“
Er rieb seinen Nacken mit den Händen. „Ich weiß nicht. Ich fühle mich … neu.“
Sie hockte sich neben ihm nieder. „Ich war nachher hungrig“, sagte sie. Sie hielt ein sich windendes Paar jener Reptilien hoch. „Aber ich mußte mich nicht fragen, ob das Essen mich töten würde.“ Sie schlitzte dem einen Tier die Kehle auf. Das Blut war leuchtend gelb, und sein Geschmack war so scharf wie sein Geruch. Sie kostete von dem Fleisch: es war saftig und kräftig nach all dem breiigen, faden Fleisch auf dem Schiff. „Es ist gut.“ Sie reicht ihm ein Stück von dem Fleisch. „Ich glaube, du kannst es beruhigt essen.“ Er betrachtete es einen Moment lang, aber dann griff er nach dem zweiten Tier und biß durch Schuppen und Haut. Es zuckte einmal und starb.
„Ein sauberer Biß“, sagte sie.
Er lächelte sie an, und sie schmausten.
Er stand auf und breitete seine Flügel in der sanften heißen Brise aus.
„Wir können hier fliegen“, sagte die Alte.
Er lief ein paar Schritte und erhob sich in die Luft. Sie sah ihm zu, wie er aufstieg, erstaunt und erfreut darüber, daß er keine Hilfe benötigte. Er schien sich der Entfernungen und Winkel nicht sicher zu sein, und seine Kehren und Höhenwechsel wirkten unstet, aber das hätte sich gebessert, wenn Zeit zur Verfügung gewesen wäre. Sie hörte, wie er fröhlich lachte; er rief sie.
Sie wünschte, sie wäre noch stark, aber sie erstieg die Düne und gesellte sich zu ihm. Den ganzen Tag flogen sie zusammen; sie zeigte ihm, wie man jagt, und sie fütterten einander; sie landeten und lagen zusammen im Sand.
Die Dämmerung brach herein.
Jeder Knochen schmerzte die Alte. Als die Luft sie trug, hatte sie sich vorgestellt, sie könnte ihrem Alter irgendwie entrinnen, aber die Erde zerrte an ihr, und sie zitterte.
„Es ist Zeit“, sagte sie.
Ihr Geliebter fuhr hoch, als hätte sie ihn geschlagen. Er wollte protestieren, doch dann besann er sich und schlang seine Flügel um sie. „Ich werde dir beistehen.“
Er stieg mit ihr auf die Düne hinauf und trug die Schleier. Oben befestigte er die Reifen an ihren Fingern und Füßen. Die Alte breitete die Flügel aus und ließ sich in die Luft fallen. Sie flog nach Sonnenaufgang, auf die Berge zu, bis die Dunkelheit sie einhüllte und die Sterne so nahe erschienen, daß sie meinte, sie sich um die Schultern legen zu können. Ihr Geliebter flog neben ihr.
„Was wirst du
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