Feuerflut
umwerben möchte.“
„Ihr sucht die Einsamkeit.“
„Wirst du mir helfen?“
„Ich habe Euch meine Entscheidung mitgeteilt, als Ihr mich batet, bei mir bleiben zu dürfen.“
Das Jungwesen schien noch einmal protestieren zu wollen, doch dann schwieg es. Die Alte wunderte sich kurze Zeit über seine schnelle Kapitulation, aber je mehr Wein sie trank, desto weniger empfand sie das Seltsame daran. Sie streichelte mit ihren silbernen Krallen über die gefleckte Schläfe und ließ ihren Blick in den braunen Wirbeln versinken, aber sie schlief nicht.
Als sie sich zu ihrer Reise bereitgemacht hatte, glitt sie davon. Sie verspürte ein leichtes Bedauern, als das Jungwesen sich nicht regte, aber sie wollte keine weitere Auseinandersetzung; sie wollte nicht noch einmal grausam sein. Als sie sich dem Bootsdeck näherte, überwog die Erregung ihre Enttäuschung; dies war ihr erstes Abenteuer seit vielen Jahren.
Sie begegnete niemandem, denn das Bootsdeck lag auf derselben Ebene wie ihre eigene Kabine. Sie schob sich in ein kleines Landeboot, schloß die Luftschleuse und gab ihre Anweisungen an das Bootsdeck. Die Maschinen arbeiteten reibungslos, trotz des Mangels an Benutzung oder Pflege. Die Alte verstand das unausgesprochene Vertrauen der jungen Leute in das Schiff; ihre Generation hatte zwar selten, aber gut gebaut. Als die Luft abgelassen war, öffnete sie die Luke. Das Boot fiel ins All hinaus.
Ihr Gefühl für die Funktionen des Bootes kehrte zurück. Ohne Zahlen oder Formeln brachte sie es auf Kurs; sie sah noch nicht so schlecht, daß sie nicht mehr im Hafen hätte navigieren können.
Als sie der Schwerkraft folgte, spürte sie bald den Unterschied zwischen dieser Welt und dem Heimatplaneten; aber nicht zu sehr, dachte sie. Sie überquerte die Tag- und Nachtgrenze und kam ins Tageslicht; unter ihr zogen Wolkenwirbel vorüber. Schon fühlte sie den Regen kühl auf Gesicht und Flügeln, sie spürte, wie das Tempo ihres Fluges ihn in schmalen Bächen an ihrem Körper hinunterdrückte. Ohne daß die Alte sich dessen bewußt war, begannen ihre Flügelfinger sich sachte zu öffnen, sie schlössen sich und öffneten sich wieder.
Sie beobachtete die Sterne, die emporzusteigen schienen, während sie abwärts flog. An der Lichtbrechung konnte sie die ungefähre Dichte der Atmosphäre erkennen: nicht zu gering, dachte sie.
Das Schiff tauchte in die äußere Atmosphäre ein. Seine Stummelflügel bremsten es ab; es verringerte seine Geschwindigkeit und näherte sich der Oberfläche des Planeten; es kämpfte gegen den Widerstand dieser Welt, bis diese schließlich der Entschlossenheit der Alten nachgab. Sie hielt Ausschau nach einem Landeplatz.
Die Welt schien noch sehr jung zu sein; eine ganze Weile sah sie nichts als dichte Dschungel und Marschland. Endlich fand sie zwischen Bergketten, die die Wolken abhielten, eine Wüste. Sie war fremdartig in Farbe und Gestalt, doch im Sand glitzerte Glimmer, genau wie zu Hause. Sie landete zwischen hohen Dünen.
Die Möglichkeit, daß die Luft, das Leben, die Elemente dort tödlich sein würden, hatte immer existiert. Sie öffnete die Versiegelung der Tür, und mit scharfem Zischen drang die Luft herein. Zum ersten Mal seit zwei Generationen atmete sie frische Luft. Sie war dünn, enthielt aber mehr Sauerstoff als sie gewohnt war, und ihr Kopf wurde leicht. Gerüche forderten spielerisch dazu auf, sie zu identifizieren. Sie stieg in den warmen Sand hinunter, und langsam, sehr langsam, spreizte sie ihre Schwingen im sanften Wind.
Die Erde zerrte an ihr, aber sie spürte, daß sie das überwinden konnte. Sie breitete ihre Flügel aus, so weit es ging, und lief gegen die Brise an. Sie erhob sich, aber nicht hoch genug; ihre Füße streiften den Boden, und sie mußte anhalten.
Der Wind trieb braunen Sand und Glimmerflocken gegen ihre Füße und an ihre herabhängenden Flügelspitzen. „Gedulde dich mit dem Begräbnis“, sagte sie, „du schuldest mir mehr als nur ein Grab.“
Sie stieg den steilen Hang einer nahegelegenen Düne hinauf. Unter ihren Füßen lösten sich winzige Lawinen von Sandkörnern. Sie war daran gewöhnt, sich leichter zu fühlen, je höher sie stieg; hier hingegen wuchs ihre Mattigkeit. Sie näherte sich dem messerscharfen Dünenkamm, auf dem das Sonnenlicht jedes einzelne Sandkristall funkeln ließ. Das zarte Gebilde stürzte zusammen, und Sand flog ihr ins Gesicht. Sie mußte anhalten und mit den Augen zwinkern, bis sie wieder frei von Staub waren,
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