Feuerflut
Explosionen. Und wegen der im Eisgrab konservierten Kälte. Einsam und allein saß er im Lichtkreis der Taschenlampe und starrte in die Tunnelöffnung. Hinter ihm wölbte sich das finstere Grab.
Was ist da los?
Er hätte niemals einwilligen dürfen, hier zurückzubleiben.
Kawtch richtete sich mit gesträubten Nackenhaaren auf. Ein leises Knurren drang aus seiner Kehle. Dann hörte Hank es ebenfalls. Gedämpfte Stimmen, die allmählich lauter wurden und im Gang widerhallten.
Wer kommt da? Freund oder Feind?
Er hörte das Knirschen von Stiefelsohlen – dann rutschte jemand auf dem Hintern aus dem Eistunnel hervor. Er sprang behände auf. Kawtch bellte zur Begrüßung, während Hank vorsichtig einen Schritt auf den Neuankömmling zu machte, bis er ihn erkannte.
»Jordan?«
»Zurück!«, sagte der junge Mann. Er kam angelaufen, fasste Hank beim Arm und zerrte ihn vom Tunnel weg.
»Was ist …?«
Painter und Kowalski rutschten aus der Öffnung hervor.
Sie rannten in entgegengesetzte Richtungen.
Dann bot sich ihm ein unglaublicher Anblick.
Aus der Gangmündung kam ein dicker schwarzer Wurm hervor und schoss bis zu den eisverkrusteten Ruinen. Die Schlauchform löste sich alsbald auf und gab zischend Schwefeldämpfe frei. Eine große Blase zerplatzte und verspritzte heißeres Material aus dem Inneren der Lawine.
Schlamm.
Immer mehr von der zähen Masse strömte aus dem Tunnel, schlängelte sich in den Hohlraum und türmte sich immer höher auf. Es brodelte und blubberte.
Painter gesellte sich zu Hank und Jordan, während Kowalski um den Rand herumging, der sich langsam abkühlte.
»Der Gegner hat uns hier eingeschlossen«, erklärte Painter, der schwer atmete und sich eine Seite hielt. Er winkte alle zurück. »Bei der Explosion ist die Höhlenwand eingestürzt und hat einen heißen Schlammsee freigesetzt.«
Jordan rieb sich die Arme, denn er hatte eine Gänsehaut.
»Wir müssen weiter.« Painter beäugte den Berg, der sich hinter ihnen auftürmte. »Vorübergehend hat uns die Kälte hier unten gerettet. Der Morast kühlt ab, wird zähflüssiger und verstopft den Tunnel. Aber wir können uns nicht darauf verlassen, dass der Pfropfen hält. Der See wird sich irgendwann den Weg freischmelzen, oder der Pfropfen wird durch zunehmenden Druck herausgedrückt. Was auch geschieht, wir sollten nicht hier sein, wenn es so weit ist.«
Hank sah das genauso. Er musterte das Grab der Anasazi. Die Toten würden endlich ihren Frieden finden und für alle Zeiten begraben werden.
Jordan stellte eine wichtige Frage. Er versuchte, ebenso tapfer zu klingen wie die anderen, doch ein Kiekser verriet seine Angst. »Wo sollen wir hin?«
»Hier gibt es bestimmt noch weitere Gänge«, meinte Painter. »Erst mal verschwinden wir von hier.«
Die Dringlichkeit seines Vorschlags wurde dadurch unterstrichen, dass ein neuer Schwall dampfenden, brodelnden Morasts aus dem Tunnel quoll und in die Höhle strömte – bis er sich endlich abkühlte. Während sie zurückwichen, strömte immer mehr heißer Schlamm nach.
Painter deutete zum größten Tunnel, der von der Höhle abging. »Los!«
Sie liefen los. Painter übernahm die Führung und leuchtete mit der Taschenlampe; Kowalski bildete den Abschluss. Der eisverkrustete Tunnel führte weiter in die Tiefe. Hank stellte sich die Wassermassen vor, welche die verborgene Siedlung der Anasazi überflutet hatten und auch in diesen Tunnel eingedrungen waren, bevor sie allmählich zu Eis erstarrt waren.
Jordan streifte mit der Hand an der niedrigen Decke entlang. »Ich glaube, wir befinden uns in einem alten Lavakanal. Der kann beliebig weit in die Tiefe führen.«
»Das ist nicht gut«, sagte Painter. »Wir wollen nach oben. Der Schlamm wird immer weiter in die Tiefe vordringen. Wir müssen ihm aus dem Weg gehen.«
»Und zwar besser schnell!«, rief Kowalski von hinten.
Hank warf einen Blick über die Schulter. Kowalski leuchtete auf den Boden. Hank bemerkte, dass von oben Wasser herabfloss. Kawtch hatte bereits nasse Pfoten. Der heiße Schlamm brachte das Eis zum Schmelzen.
Painter wurde schneller.
Nach weiteren zehn Minuten – die ihnen vorkamen wie eine Stunde – gelangten sie zum Tunnelende.
»O nein«, stöhnte Hank, der neben Painter stand.
Der Tunnel endete an einer Felskante. Painter leuchtete über den Rand. Den Boden der Schlucht konnten sie nicht erkennen, doch in der Tiefe gurgelte Wasser. Unmittelbar vor ihnen befand sich in der gegenüberliegenden Felswand eine Öffnung
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