Feuerflut
Rückspiegel sah er, wie Seichan eine Fensterscheibe zerschlug und den Gewehrlauf durch die Öffnung streckte.
»Wir schießen nicht!«, sagte Gray. »Die US-Soldaten machen nur ihren Job.«
»Unsere Aussichten werden immer rosiger«, klagte Monk.
Eine Hoffnung blieb ihnen noch.
Gray war aufgefallen, dass ihr Fahrzeug für den Kampfeinsatz ausgerüstet war. Zur Sonderausstattung gehörten auch verstärkte Türen, kugelsichere Fensterverglasung, Seiten- und Heckpanzerung und eine Windschutzscheibe, die sogar Granatbeschuss standhalten konnte. Es war gar nicht erstaunlich, hier ein solches Fahrzeug vorzufinden, denn auf dem Gelände von Fort Knox lag auch das Zentrum der US Army für bewaffnete Kriegsführung. Es war ein Erprobungsgelände für Panzer, Artillerie und alle möglichen gepanzerten Gerätschaften.
Wenn sie niemanden töten wollten, mussten sie sich einen Weg in die Freiheit bahnen. Im Moment hatten sie das Überraschungsmoment noch auf ihrer Seite, denn auf dem Gelände herrschte allgemeine Verwirrung. Schließlich war dies kein gewöhnlicher Einbruchsversuch.
Gray hielt auf das Tor zu, das sich bereits geschlossen hatte. Wachposten wimmelten umher. Offenbar glaubten sie, es handele sich um einen Fehlalarm oder eine Übung. Der Humvee steigerte noch ihre Verwirrung.
Einige Soldaten legten das Gewehr an. Kugeln prallten gegen die Windschutzscheibe.
Vom Wachturm schoss jemand eine Raketengranate ab, doch sie war schlecht gezielt und riss ein Stück weiter ein Loch in den Zaun.
»Festhalten!«, brüllte Gray.
Im Vertrauen darauf, dass die Soldaten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen würden, bremste er nicht ab.
Tatsächlich, die Soldaten sprangen beiseite.
Der gepanzerte Kühlergrill prallte gegen das Tor und wühlte sich mit metallischem Kreischen durch den Zaun. Dann rasten sie weiter. Gewehrkugeln prasselten gegen das Heck.
»In weniger als fünf Minuten sind die ersten Vögel in der Luft«, sagte Monk. Mit Vögeln meinte er Kampfhubschrauber. »Bis sie Panzerfahrzeuge losschicken, dürfte es etwas länger dauern. Aber sie könnten uns unter Feuer nehmen …«
Ein durchdringendes Pfeifen übertönte das Grollen des Motors.
»… mit Mörsern«, ergänzte Monk.
Die Granate schoss über die Motorhaube hinweg und detonierte neben der Straße. Gras, Erdreich und Steine wurden hochgeschleudert. Eine Rauchwolke wurde auf die Straße geweht.
Gray raste hindurch. Kurz darauf hatten sie das Ende der Straße erreicht. Doch anstatt auf die Bulletin Road abzubiegen, fuhr er geradeaus weiter, holperte durch den Straßengraben, durchbrach einen weiteren Zaun und rammte ein Schild mit der Aufschrift Thorne Park. Er fuhr über eine von Bäumen gesäumte Wiese. Die Räder des Humvees hinterließen tiefe Reifenspuren. Er fuhr nach Süden, in Richtung des Dixie Highway, der am Truppenstützpunkt entlangführte.
Die nächste Granate traf unmittelbar vor ihnen eine Eiche, zerfetzte den Stamm und setzte ihn in Brand. Gray fuhr unbeirrt weiter, sodass sie von den Flammen für Augenblicke geblendet wurden.
Dann hatten sie es geschafft.
»Das war knapp«, sagte Monk.
»Finden Sie?«, meinte Seichan sarkastisch.
»Vielleicht wollen sie uns gar nicht treffen, sondern nur langsamer machen.« Gray riss das Steuer herum und schlug einen Haken, um dem Gegner für den Fall, dass er sich irrte, das Zielen zu erschweren.
»Auf dem Flugplatz steigen die ersten Maschinen auf«, sagte Seichan warnend.
»Vielleicht versuchen sie, uns deshalb aufzuhalten«, überlegte Monk laut. »Sie starten die Kampfhubschrauber.«
Gray gab noch mehr Gas. Sie mussten den Stützpunkt hinter sich lassen und auf ziviles Gelände gelangen, bevor sie massiv beschossen wurden. Wenn sie das schafften, würde das Militär sie nicht aus der Luft unter Beschuss nehmen können, sondern man würde Polizeikräfte einsetzen müssen.
Zwischen den Bäumen leuchteten die Scheinwerfer des Autoverkehrs auf dem Dixie Highway auf. Sie hatten es fast geschafft. Gray trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch.
»Die Helikopter kommen!«, rief Seichan.
Der Humvee raste auf den Highway zu, Dreck und Unkraut schleuderten durch die Luft. Dann hatten sie die Straßenböschung erreicht, schossen über den Kies und die Betoneinfassung. Gray hielt Ausschau nach einer Lücke, fand sie, riss das schwere Fahrzeug herum und fädelte sich schleudernd in den Verkehr ein.
Lautes Hupen ertönte, Reifen quietschten, auf dem Asphalt blieb Gummiabrieb zurück.
Ein
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