Feuerflut
den Empfang einer Voicemail. Gerettet. »Entschuldigen Sie mich einen Moment.«
Er erhob sich und ging zur Tür, dann hielt er inne und zeigte auf Seichan. »Dr. Heisman, wie wär’s, wenn Sie die Geheimschrift meiner Kollegin erklären würden? Ich bin gleich wieder da.«
»Sehr gern.«
Seichan funkelte ihn an und rollte mit den Augen.
Auf dem Flur verflüchtigte sich Grays Lächeln, als er die Zahl der gespeicherten Nachrichten sah. Gestern hatte er das Prepaid-Handy benutzt und erst nach der Landung in D. C. den Akku in sein eigentliches Handy eingesetzt. Offenbar hatte es nach dem Einschalten länger als eine Dreiviertelstunde gedauert, sämtliche Nachrichten zu laden.
Er blickte entgeistert aufs Display.
Vielleicht ist das einer der Gründe, weshalb es so lange gedauert hat.
Er hatte in den vergangenen zwölf Stunden zweiundzwanzig Nachrichten erhalten, alle von demselben Anschluss. Jetzt bedauerte er, dass er sich nicht eher gemeldet hatte. Die erste Nachricht seiner Mutter war bei der Flucht aus Fort Knox eingetroffen. In dem Moment hatte er sich nicht darum kümmern können – und dann hatte er einfach nicht mehr daran gedacht.
Er begann am Anfang, während die gewohnte Anspannung von ihm Besitz ergriff. Er hielt sich das Handy ans Ohr.
»Gray, hier ist deine Mutter.« So begann sie jedes Telefonat. Als ob ich deine Stimme nicht erkennen würde, Mom. »Es ist halb elf, und ich wollte dir mitteilen, dass dein Vater eine schlimme Nacht hat. Du brauchst nicht herzukommen, aber ich möchte, dass du’s weißt.«
O je.
Anstatt sich alle Nachrichten anzuhören, ließ er sich verbinden. Ebenso gut konnte er sich die Neuigkeiten aus ihrem Mund anhören. Es läutete eine Weile, dann schaltete sich die Mailbox ein.
Der Druck in seinem Kreuz nahm zu. Da er wissen wollte, was los war, hörte er sich die restlichen Nachrichten an.
»Gray, hier ist noch mal deine Mutter. Es wird schlimmer, deshalb rufe ich jetzt den Pflegedienst an, dessen Nummer du mir gegeben hast.«
Sehr gut, Mom …
Die folgenden Nachrichten wurden immer zusammenhangloser. Der Mann vom Pflegedienst glaubte, der schlechte Zustand seines Vaters mache eine Einweisung ins Krankenhaus erforderlich.
»Gray, die wollen deinen Vater ein paar Tage hierbehalten und eine Tomografie machen … ist das richtig so, Luis?« Im Hintergrund sagte jemand: »Ja, das stimmt, Harriet.« Seine Mutter wieder. »Jedenfalls ist jetzt alles geregelt. Ich wollte dich nicht beunruhigen.«
Doch es gab noch fünf weitere Anrufe. Wie sich herausstellte, bekam seine Mutter die Untersuchungen, die Versicherungen, den ganzen Papierkram nicht auf die Reihe.
»Warum meldest du dich nicht? Bist du verreist … ja, du bist bestimmt verreist. Aber du hast mir nichts gesagt. Vielleicht sollte ich deine Zimmerpflanzen gießen. Das vergisst du immer.«
Die letzte Nachricht hatte sie vor einer Stunde aufgesprochen. Gray war zu dem Zeitpunkt noch im Flieger gewesen. »Gray, ich habe einen Friseurtermin in der Nähe deiner Wohnung. Bist du noch in der Stadt? Ich glaube, das hier ist dein Hausschlüssel. Ich hab dir doch gesagt, dass ich einen Friseurtermin habe, oder? Wenn du zu Hause bist, könnten wir vielleicht zusammen zu Mittag essen.«
Okay, Mom …
Er sah auf die Uhr. Er könnte sich hier loseisen und bis Mittag zu Hause sein.
Er holte tief Luft und ging wieder in den Besprechungsraum.
Seichan sah ihm an, dass etwas vorgefallen war. »Alles okay?«
Er schüttelte das Handy. »Familienkram. Ich kümmere mich drum, wenn wir hier fertig sind.«
Sie lächelte mitfühlend. »Willkommen daheim.«
»Ja, stimmt.«
Er wandte sich an Dr. Heisman. »Also, was hat Meriwether der Nachwelt mitgeteilt?«
»Das ist ein merkwürdiger Text, geprägt von Paranoia.«
»Na ja … schließlich hat man zweimal auf ihn geschossen«, erwiderte Gray. »Da kann man schon paranoid werden.«
»Richtig. Aber ich wollte, dass Sie den Schluss des Textes kennen. Ich glaube, der steht in Zusammenhang mit den gestrigen Ereignissen, speziell mit dem mächtigen Gegner, der den Gründervätern zu schaffen machte.«
»Also, was hatte er dazu zu sagen?« Grays Interesse war geweckt.
Heisman las von einem Blatt mit zahlreichen Randnotizen ab. »›Die, welche dem Feind dienen, haben mich unterwegs aufgespürt. In meinem eigenen Blut liegend, hinterlasse ich diese Botschaft als Warnung an jene, die nach mir kommen. Unter großen Mühen haben wir die meisten unserer gefährlichen Feinde
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