Feuerflut
war sich nicht sicher, ob es ein Akt des Widerstands war, wenn ein Indianer auf einen Heli der Nationalgarde schoss, doch er hatte den Kampf schließlich nicht angefangen. Außerdem wollte er nicht töten, sondern die Angreifer nur ablenken.
Während er dem Helikopter entgegengaloppierte, drückte er immer wieder ab, bis das Magazin leer war. Er hatte keinen Anlass, sich zurückzuhalten. Einige Schüsse fanden sogar ins Ziel und ließen die Windschutzscheibe bersten.
Der Helikopter schwankte, das gegnerische Feuer brach unvermittelt ab, da die Schützen heftig durchgerüttelt wurden. Hank trieb Mariah an und duckte sich unter dem Bauch des Helikopters hindurch. Er flog so tief, dass Hank die Landekufen hätte packen können.
Einer der Schützen, bekleidet mit einem schwarzen Kampfanzug, lehnte sich aus der Luke. Ihre Blicke trafen sich, dann hatte Mariah den Helikopter hinter sich gelassen. In Anbetracht des donnernden Motors und der knatternden Rotoren benötigte sie keinerlei Ermunterung.
Mariah stürmte wieder in den Schatten des Waldes.
Kawtch lief ein paar Meter zu ihrer Linken.
Der Helikopter stieg mit winselnden Motoren höher und nahm die Verfolgung auf.
Das Katz-und-Maus-Spiel konnte nicht ewig so weitergehen. Bislang hatten sie Glück gehabt, doch ein Stück weiter unten machte der Hochwald vereinzelten Eichen und offenen Wiesen Platz. Das wussten anscheinend auch ihre Verfolger. Der Helikopter setzte ihnen nach. Ein zweites Mal würde der Gegner sich nicht foppen lassen.
Und obendrein war Hank die Munition ausgegangen.
Zu seiner Rechten funkelte es silbern. Ein kleiner Fluss, gespeist vom Gletscher und angeschwollen von der Schneeschmelze und dem Regen, durchlief eine Reihe von Stromschnellen. Mit einem Druck der Knie lenkte er Mariah darauf zu.
Am Ufer angelangt, hieb er Mariah die Fersen in die Flanken. Mit einem Satz sprang sie mitten ins Wasser – jetzt aber mussten sie getrennte Wege gehen.
Hank ließ die Zügel los, packte Kai beim Handgelenk und ließ sich auf der flussabwärts gelegenen Seite aus dem Sattel kippen. Er versetzte Mariah einen kräftigen Klaps auf den Rumpf, trieb sie von sich weg und verabschiedete sich gleichzeitig.
Die Stute sprang ans Ufer, während Hank und Kai ins eiskalte Wasser fielen. Neben ihnen landete Kawtch mit einem lauten Platsch. Die Strömung riss sie mit sich fort. Bevor Hank unter Wasser gezogen wurde, hörte er den Aufschrei der jungen Frau.
Kai kämpfte sich an die Oberfläche und traf dabei mit dem Absatz etwas Weiches. Als Hank sie aus dem Sattel gerissen hatte, war sie zunächst zu erschrocken gewesen, um zu reagieren, doch als sie ins Wasser eintauchte, löste sich der Schrei, der seit der Sprengstoffexplosion in ihr aufgestaut gewesen war.
Dann bekam sie Wasser in den Mund.
Da sie vom Schreien außer Atem war, schluckte sie Wasser, während sie umhergewirbelt wurde. Sie stieß gegen Steine. Das eiskalte Wasser drang ihr in die Nase. Dann tauchte ihr Kopf auf einmal wieder an die Oberfläche. Sie hustete und schrie. Starke Arme umfingen sie und zogen sie ans Ufer. Sie wollte aufs Trockene kriechen, wurde aber zurückgerissen.
»Bleib hier!«, zischte Professor Kanosh. Er wirkte mitgenommen, das graue Haar klebte ihm am Schädel. Sein Hund kletterte auf einen Findling, noch bis zum Bauch im Wasser.
»Warum?«, fragte sie. Vor Kälte und Angst klapperten ihr die Zähne.
Er zeigte nach oben.
Sie blickte hoch. Der Helikopter verschwand gerade hinter einem Bergkamm.
»Wegen unserer Körperwärme«, erklärte der Professor. »Deswegen haben sie uns im Wald aufgespürt, und wir konnten nicht flüchten. Hoffentlich lassen sie sich von Mariahs großem, schwitzendem Körper tief in den Wald hineinlocken.«
Kai hatte verstanden. »Hier im kalten Wasser … können sie uns nicht aufspüren.«
»Ein kleiner Trick. Wir wären ja auch schöne Indianer, wenn wir es nicht schaffen würden, im Wald einen Verfolger zu überlisten.«
Trotz ihrer schlimmen Lage hatte er ein feines Lächeln auf den Lippen. Es wärmte sie.
»Auf geht’s«, sagte er und zog sie aus dem eiskalten Wasser.
Auch sein Hund kam ans Ufer, schüttelte sich und verspritzte Wasser, als sei nichts geschehen.
Kai versuchte, es ihm nachzutun, schüttelte ihr Haar aus und dann ihre Jacke, damit sie nicht so stark auskühlte. Eine Goldtafel fiel auf den Boden. Professor Kanosh fixierte die Tafel, machte aber keinerlei Anstalten, sie aufzuheben. Deshalb bückte sich Kai und steckte
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