Feuerflut
nur gesagt, sie bräuchte Zugang zum Nationalarchiv. Sie treffen sich heute Abend mit einem Museumskurator.«
Painter zog die Stirn kraus. Was hoffte Seichan, im Nationalarchiv zu finden? Das Museum war eine Fundgrube für Manuskripte und Dokumente der amerikanischen Geschichte. Worin bestand die Verbindung zur Gilde? Er sah auf seine Uhr. Es war nach neun, also war es in D. C. bereits nach Mitternacht. Ziemlich spät für ein Treffen mit einem Museumsangestellten.
»Gray meinte, er werde sich melden, sobald es etwas Neues gebe. Ich halte Sie auf dem Laufenden.«
»Tun Sie das. Ich werde versuchen, die Sache mit meiner Nichte möglichst schnell zu klären, dann fliege ich am Morgen nach Washington zurück. Halten Sie bis dahin die Stellung.«
Kat beendete die Verbindung. Painter tippte die Handynummer ein, die er sich eingeprägt hatte. Gleich nach dem ersten Klingeln meldete sich eine atemlose Stimme.
»Onkel Crowe?«
»Kai, wo steckst du?«
Das Schweigen dehnte sich. Im Hintergrund drängte jemand sie in schroffem Ton, ihm zu antworten.
Dann sprach sie stockend weiter. Ihre Stimme klang tränenerstickt und verängstigt. »Ich … wir sind in Provo. Auf dem Campus der Brigham Young University. Im Büro von Professor Henry Kanosh.«
Painter kniff die Augen zusammen. Weshalb kam ihm der Name bekannt vor? Dann erinnerte er sich an einen Bericht, den er auf dem Flug von D. C. nach Salt Lake City gelesen hatte, eine kurze Schilderung des Vorfalls in den Bergen. Der Professor war mit der Anthropologin bekannt gewesen, die bei der Explosion ums Leben gekommen war.
Kai nannte ihm die Adresse des Büros. Sie klang immer noch verängstigt.
Er tat sein Bestes, um sie zu beruhigen. »Ich kann in einer Stunde in Provo sein.« Painter forderte Kowalski mit einer Handbewegung auf loszufahren. »Rühr dich nicht von der Stelle, bis ich da bin.«
Plötzlich meldete sich eine andere Stimme. »Mr. Crowe, hier spricht Hank Kanosh. Sie kennen mich nicht.«
»Sie sind ein Kollege von Margaret Grantham. Sie waren am Unglücksort.« Painter hob den Aktenkoffer hoch und legte ihn sich auf den Schoß. In seinen Unterlagen fanden sich auch Vermerke über die Augenzeugen der Explosion.
Der Professor schwieg einen Moment. Sein Stocken war offenbar nicht allein seiner Überraschung geschuldet. »Maggie … sie wollte, dass man sie Maggie nennt.«
Painter schlug einen wärmeren Ton an. »Mein Beileid.«
»Danke, aber Sie sollten wissen, dass Ihre Nichte und ich in den Bergen angegriffen wurden. Ein Helikopter der Nationalgarde hat auf uns gefeuert.«
»Was?« Kat hatte bislang noch nicht gemeldet, dass man die Terroristin gesichtet, geschweige denn auf sie geschossen habe.
»Allerdings glaube ich nicht, dass es tatsächlich die Nationalgarde war. Ich hatte den Eindruck, es handele sich um Söldner, vielleicht Kopfgeldjäger, die eine Maschine der Nationalgarde in ihre Gewalt gebracht haben.«
Painter hielt das für unwahrscheinlich, zumal die Sichtung und der Schusswechsel nicht über die offiziellen Kanäle gemeldet worden waren. Da versuchte jemand anderes, die angebliche Terroristin auf eigene Faust festzunehmen oder zu eliminieren. Dies weckte neue Befürchtungen. »Professor Kanosh, wäre es denkbar, dass die Kopfgeldjäger Sie erkannt haben?«
Die Antwort fiel zögerlich aus. »Das … das glaube ich nicht. Die meiste Zeit über war ihnen die Sicht durch die Baumwipfel verdeckt, außerdem habe ich einen Hut getragen. Aber wenn doch, glauben Sie, sie könnten hier nach uns suchen? Da hätte ich dran denken sollen.«
»Dazu hatten Sie keinen Anlass.« Paranoia gehört bei meinem Geschäft zum täglich Brot. »Aber man weiß ja nie. Haben Sie die Möglichkeit, an einem Ort unterzukommen, den man nicht mit Ihnen in Verbindung bringen kann?«
Painter meinte zu hören, wie es im Kopf des Professors arbeitete. Dann sagte Kanosh: »Ich wollte im angrenzenden Gebäude der Geowissenschaften etwas recherchieren. Wir könnten uns dort treffen.«
»Klingt gut.«
Da alles geklärt war, beendete Painter die Verbindung. Kowalski fuhr auf der Interstate 5 bereits Richtung Süden.
An seinem zerkauten, kalten Zigarrenstummel vorbei sagte Kowalski: »Bis nach Provo sind’s noch fünfundsiebzig Kilometer.«
Painter las am Navi die geschätzte Ankunftszeit ab. »Fünfundvierzig Minuten«, brummte er.
Kowalski warf seinem Boss einen Seitenblick zu. »Notfalls schaffe ich’s auch in zweiundvierzig Minuten.« Er gab Gas und hob
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