Feuerflut
sie wieder zu der zweiten Goldtafel unter die Jacke.
Professor Kanosh zeigte bergabwärts. »Wir müssen weiter, uns warm halten.«
»Wo sollen wir hin?«, fragte sie mit klappernden Zähnen.
»Erst mal möglichst weit weg von hier. Unsere Verfolger werden sich nur so lange täuschen lassen, bis Mariah aus dem Wald hervorkommt. Wenn sie sehen, dass niemand im Sattel sitzt, werden sie zurückkommen. Bis dahin müssen wir längst fort sein.«
»Und was dann?«
»Dann kehren wir zurück in die Zivilisation. Versuchen, Hilfe zu bekommen. Umgeben uns mit Leuten, die auf unserer Seite stehen.«
Er wandte sich bergab und folgte einem Wildpfad, doch die Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben. Kai dachte an den Anruf, den sie abgebrochen hatte, als der alte Mann aufgetaucht war. Onkel Crowe war in Washington eine große Nummer, hatte irgendwas mit nationaler Sicherheit zu tun. Er war eigentlich kein naher Verwandter, nur ein Halbonkel väterlicherseits – was immer das bedeutete. Sie hatte ihn nur ein paar Mal getroffen, zum letzten Mal bei der Beerdigung ihres Vaters. Aber im weiteren Sinn war der ganze Pequot-Stamm ihre Familie. Irgendwie waren alle miteinander verwandt. Sie hatte zahllose Tanten und Onkel. Und jeder wusste, dass ein Anruf bei Onkel Crowe die Wogen glätten konnte, wenn man in Schwierigkeiten steckte.
»Ich kenne jemanden, der uns helfen könnte«, sagte sie.
Sie zog im Gehen das Handy aus der Hosentasche. Nach dem Bad im Fluss tropfte Wasser heraus. Es ließ sich nicht einschalten. Enttäuscht steckte sie es wieder ein. Außerdem hätte sie hier sowieso keine Verbindung bekommen. Als sie weiter oben am Berg mit Crowe telefonierte, hatte das Handy bei der Signalstärke gerade mal einen Balken angezeigt.
Professor Kanosh hatte ihren vergeblichen Versuch bemerkt. »Okay, dann müssen wir ein Telefon erreichen, bevor unsere Verfolger erneut Witterung aufnehmen. Auch wenn das heißt, dass wir uns der Bundespolizei oder der Nationalgarde stellen müssen.«
Kai geriet ins Stolpern. »Aber die wollten uns doch eben umbringen.«
»Nein. Ich habe mir die Uniformen genau angesehen. Das waren eindeutig Soldaten, aber nicht von der Nationalgarde.«
»Wer war das dann?«
»Vielleicht gehören sie einer anderen Regierungsorganisation an, oder das ist eine Söldnergruppe, die irgendein Kopfgeld einsacken will. Eines aber weiß ich mit Sicherheit …«
»Und das wäre?«
Seine Antwort schockte sie mehr als das Bad im eiskalten Fluss. »Wer das auch sein mag, sie wollen dich töten.«
8
30. Mai, 21:18
Salt Lake City, Utah
»HAT SIE WENIGSTENS eine Nummer hinterlassen?«, fragte Painter, als er auf dem Beifahrersitz eines Chevy Tahoe mit Regierungskennzeichen Platz nahm. Der Wagen stand auf dem Rollfeld neben der privaten Gulfstream, mit der sie von D. C. hergeflogen waren.
Kowalski saß bereits am Steuer und schob den Sitz zurück, damit er seine langen Beine unterbringen konnte. Chin, der dritte Teamkollege, war in einem Helikopter der Nationalgarde zum Explosionsort in den Rocky Mountains unterwegs. Bevor Painter sich um diesen ungewöhnlichen Vorfall kümmern konnte, hatte er noch etwas anderes zu erledigen.
Kats Stimme klang blechern über die verschlüsselte Verbindung. »Mehr habe ich von Ihrer Nichte nicht erfahren. Aber sie klang verängstigt. Geradezu panisch. Sie hat von einem Wegwerfhandy aus angerufen. Sie hat mir die Nummer gegeben und darum gebeten, dass Sie sie gleich nach der Landung anrufen.«
»Geben Sie mir die Nummer.«
Kat kam seiner Bitte nach, hatte aber noch weitere Neuigkeiten. »Commander Pierce hat sich ebenfalls gemeldet.« Ihr ernster Tonfall ließ nichts Gutes ahnen. »Seichan ist bei ihm.«
Painter krampfte die Finger ums Handy. »Sie ist wieder in den Staaten?«
»Sieht so aus.«
Painter schloss einen Moment lang die Augen. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass Seichan sich wieder in den USA aufhielt. In Anbetracht ihrer speziellen Fähigkeiten und Beziehungen sollte ihn das eigentlich nicht überraschen. Ihr plötzliches Auftauchen deutete jedoch darauf hin, dass sich etwas Wichtiges tat. »Was ist los?«
»Sie behauptet, sie habe einen Hinweis auf Echelon bekommen.«
»Was für einen Hinweis?« Er straffte sich auf dem Beifahrersitz, während der SUV im Leerlauf grollte. Echelon war die Codebezeichnung für die Anführer der Terrororganisation, die man die Gilde nannte. Allmählich bedauerte er, D. C. verlassen zu haben.
»Gray hat keine Details genannt. Er hat
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