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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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warst glücklich hier, nicht wahr?«
    Ich seufzte tief auf.
    »Nicht nur glücklich, Manuel. Für mich ist dieser Ort… wie geheiligt.
    Klingt dir das zu übertrieben?«
    Er schüttelte sanft den Kopf.
    »Nein. Hier ist etwas, das dich liebt.«
    Ob er das wohl genauso intensiv fühlte wie ich? Ich trank einen Schluck Wein; ich hatte ein wenig Kopfschmerzen. Die lange Reise, wahrscheinlich. Oder auch etwas anderes. Ich faßte mir an die Stirn.
    »Es ist schwer zu erklären. In Casa Monte, siehst du, da habe ich begonnen zu sein, wie ich heute bin.«
    »Hier?« fragte er.
    Ich verschränkte fröstelnd die Arme.
    »Oben. Im ersten Stockwerk.«
    Er betrachtete mich im Schein der Glühbirne, die an einem Stück Kabel an der Decke hing. Der Abend kam. Die tiefstehende Sonne blitzte durch die Ritzen der Läden. Wir waren allein in diesem Haus. Nein – nicht ganz allein. Nonna war auch da. Irgendwo. Und bald würde sie nicht mehr da sein. Man würde sie aus ihrem Haus jagen.
    »Questo no mi piace, Piccina.«
    »Neanche a me, Nonna.«
    Ich stand plötzlich auf.
    »Komm, ich zeige dir das Haus.«
    Wir ließen das Geschirr stehen. Den Rest Salat bedeckte ich mit einem Teller; der Kühlschrank funktionierte schon lange nicht mehr. Ich ging voraus und machte Licht. Zuerst im Eßzimmer, dann im »Soggiorno«. Das schwärzliche Messing des Kronleuchters schimmerte matt; die Blumengirlanden und Putten traten aus der Dunkelheit hervor; winzige Kristalle schienen auf der zerfetzten Tapete zu glitzern. Zwischen den vielen Schatten war es, als ob der Raum sich bewegte. Ich wies auf Nonnas Schreibsekretär mit dem Intarsienmuster aus hellem Zitronenholz.
    »Den will ich behalten.«
    Manuel strich mit geübter Hand über das Holz.
    »Wunderschöne Arbeit!«
    »Aus dem späten 18. Jahrhundert, soviel ich weiß. Der Geschirrschrank ebenso. Mein Großvater hatte auf seinen Reisen alles mögliche zusammengekauft. Das Sofa ist auch hübsch, nicht wahr? Und die Sessel.
    Sie müssen nur frisch bezogen werden, nicht mit diesem abscheulichen Rot.«
    »Grün wäre nicht übel«, meinte er ernst. »Und die Perlen würde ich weglassen.«
    Unvermittelt lachte ich auf, aber es klang bitter.
    »Ach, Manuel, du hältst mich sicher für kindisch. Das passiert mir oft in Casa Monte. Wahrscheinlich, weil ich hier ein Kind war.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Nicht allein deshalb. Die Gegenstände haben eine Seele, das sagt dir jeder Handwerker. Holz schreit, wenn es gespalten wird. Und wenn ich Tonerde drehe, schnurrt sie wie eine Katze. Wo Menschen und Dinge in Eintracht leben, entsteht eine Harmonie. Übertragen die Menschen ihr inneres Spannungsfeld auf die Dinge, rächen sich diese – irgendwie.«
    Ich antwortete leise und wie aus weiter Entfernung:
    »Das ist etwas, das viele nicht wissen.«
    Er legte seine Arme um mich.
    »Ich glaube, daß du mit den Dingen hier in besonderer Harmonie gelebt hast. Deswegen bist du traurig.«
    »Ich habe gerade in letzter Zeit soviel an das Haus gedacht. Ich träumte nachts davon, und dabei fielen mir Sachen ein, an die ich jahrelang nicht gedacht habe. Und jetzt werde ich sentimental.«
    »Warum auch nicht?«
    Ich hob den Kopf, um ihn anzulächeln, als ich einige Gegenstände auf dem Rand des Kamins bemerkte. Gegenstände, die nicht in das Zimmer gehörten: zwei leere Bierdosen, ein Aschenbecher voller Kippen, eine Streichholzschachtel. Lina mußte diese Dinge übersehen haben. Der Anblick löste unter meiner Kopfhaut ein seltsames Kribbeln aus. Ich spürte
    – sah buchstäblich – die Wut in mir aufsteigen. Es war wie jenes Phänomen, das ich auf Island beobachtet hatte: ein Pulsieren an der Oberfläche eines heißen Beckens, das plötzliche Aufspannen einer Blase voller kochendem Wasser. Etwas Ähnliches entstand jetzt in meinem Kopf; bloß daß ich diese Energie unter Kontrolle hielt.
    »Warum haben sie das Zeug nicht weggeräumt?« murmelte ich verärgert.
    Ich nahm die Bierdosen, brachte sie in die Küche und warf sie in den Mülleimer, ebenso wie die Kippen. Ich spülte den Aschenbecher aus und stellte ihn wieder an seinen Platz. Die Streichholzschachtel ließ ich liegen.
    Manuel hatte schweigend zugesehen. Seine Haltung strahlte eine natürliche, unerschütterliche Ruhe aus. Doch, er versteht mich, schoß es mir durch den Kopf. Ich sagte:
    »Komm, laß uns nach oben gehen.«
    Ich drückte den Lichtschalter aus; für Sekunden hinterließ der Kronleuchter ein gelbes Nachbild auf meiner Netzhaut, das in

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