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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Einzelteile zerfiel und verschwand. Wir gingen die Treppe hinauf. An den Wänden bröckelte der Gips ab, und die Marmorstufen waren rissig. Ich streichelte das alte Geländer, fühlte die seidige Beschaffenheit des Holzes. Unter meiner Handfläche gab das Geländer ein helles Knacken von sich, weiter oben noch ein zweites. Ich blieb kurz stehen, wandte Manuel das Gesicht zu.
    »Hörst du?«
    Er nickte, ließ die Blicke umherschweifen, nahm alles ganz genau wahr.
    Im oberen Stockwerk staute sich Sommerhitze. Die Spinnweben waren größer geworden. Im Schlafzimmer meiner Eltern huschte, mit dem Rascheln eines welken Blattes, eine winzige Maus über den Boden und verschwand in einem Loch unter der Fußleiste. Lina hatte das Badezimmer geputzt, Seife und frische Handtücher waren bereit. Ich drehte den Hahn auf, das Wasser floß sofort klar. Sogar die WC-Spülung funktionierte. »Das war schon lange fällig«, meinte ich.
    Er kniff ein Auge zu.
    »Es geht also ohne den Bach!«
    Die Sonne sank; das Haus lag schon im Schatten. Als ich in meinem früheren Zimmer den Lichtschalter drehte, blieb alles dunkel. Die Birne war defekt, Lina hatte sie nicht ausgewechselt. In den Ritzen der Läden funkelte Abendlicht. Ein letzter roter Schein; bald kam die Nacht. Ich stand auf der Schwelle wie vor einem Loch, in dem meine Kindheit begraben war. Das Gefühl erreichte mein Bewußtsein, ließ seltsame Gedanken in mir aufsteigen.
    »Es ist vorbei«, sagte ich geistesabwesend.
    Es klang wie eine Frage, auf die ich eine Antwort erwartete. Aber Manuel sagte weder: »Wovon redest du eigentlich?« noch: »Du könntest dich deutlicher ausdrücken.« Er beantwortete die Frage, wie er jede andere beantwortet hätte. Er faßte mich am Ellbogen, machte behutsam die Tür zu und sagte:
    »Ja, Ariana.«
    Ich war ihm dankbar dafür, daß er die Tür geschlossen hatte. Es wirkte wie eine Trennung, etwas sehr Endgültiges. Ich empfand einen stechenden Schmerz dabei und gleichsam eine Unruhe, wie sie jeder größeren Veränderung vorausgeht, sei diese nun traurig oder freudig. Ich rieb mir die Augen; in meinem Kopf pulsierte es stärker. Es war kein gutes Gefühl; ich schob diese Vorstellung von mir. Zögernd machte ich ein paar Schritte; mitten im Gang blieb ich abermals stehen. Ganz plötzlich war mir, als wäre ich schlafwandelnd hierhergekommen und entdeckte erst jetzt, wo ich mich befand. An dieser Stelle hatte man die Wand mit frischen Paneelen verkleidet, die Bodenplatten ersetzt; auch der Gips an der Decke war neuerer Machart. Hier hatten die Arbeiter die Leiter aufgerichtet, als sie das Dach instandsetzten. Meine Hände wurden eiskalt, und ich hatte ein trockenes Gefühl im Mund. Vor meinen Augen tanzten Farben.
    Lichtpunkte, klein wie Sandkörner, blieben in der Luft hängen und formten sich zu einem ganz bestimmten Bild: Seidenraupen, auf dem geschwärzten Boden verstreut, zusammengeschrumpft und verkohlt. Ich schluckte; mir war übel.
    »Hier lagen die Seidenraupen«, sagte ich. »Sie waren ganz verbrannt, einige bewegten sich noch. Die Form des Tieres war genau zu erkennen.
    Ein Abdruck mit allen Einzelheiten – das Negativ einer Raupe…«
    Für ein paar Sekunden blickten wir einander an. Dann schien er den Blick von mir abzuwenden und nach etwas in der Luft über meinem Kopf zu suchen. Ich spürte erneut das Pochen in mir, deutlicher.
    »Nonna züchtete Seidenraupen im Estrich«, erklärte ich, schnell und etwas atemlos. »Im August waren schon einige im Kokon eingewickelt.«
    Er hörte zu und wartete, daß ich weitersprach. Ich starrte vor mich hin, als ob ich an den Fetzen eines alten Bildes kratzte und das ursprüngliche Muster zum Vorschein brachte.
    »Hier war das Loch. Vom Dach hinunter bis in die Waschküche.«
    Er ließ seine Blicke umherwandern.
    »Genau hier?«
    »Du stehst gerade davor. Und siehst du… Nonnas Zimmer ist auf der anderen Seite, hinten im Flur. Alle Zimmer haben eine Loggia, die nach draußen führt. Nur ihres nicht. Und sie konnte auch nicht zum Fenster hinaus, wegen des Gewächshauses. Komm!«
    Ich setzte mich in Bewegung. Achtung, das Loch! sagte mir eine Stimme ins Ohr. Unwillkürlich trat ich auf die Seite, ging dicht an der Wand entlang. Der Boden war jetzt fest, aber der Schreck steckte noch im Unterbewußtsein; solche Gefühle sind hartnäckig. Manuel folgte mir dicht auf den Fersen. Sah er mit seinen inneren Augen die gleichen Bilder?
    Betrachtete er sie aus der Ferne? Er war wachsam, aber ruhig, und

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