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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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oben. Inzwischen war das Restaurant voll besetzt, voller als am Mittag. Forscher, Studenten und Journalisten hatten die Tische zusammengerückt, und bald war kein Stuhl mehr frei. Ich setzte mich neben Manuel. Wir tauschten ein Lächeln. Martin fing dieses Lächeln auf; seine Lippen verhärteten sich. Die Unterhaltung war voll im Gang. Alle gaben ihr Wissen zum Besten. Man verglich Meßinstrumente, Temperaturkurven und Tabellen; man sprach über die verschiedenen Techniken und Methoden der Vorhersage von Vulkanausbrüchen, wobei jeder wußte, daß es eine taugliche Methode nicht gab. Das einzige, was man tun konnte, war, die verschiedenen Faktoren vor dem Hintergrund der geologischen Erfahrung zu interpretieren.
    Natürlich kam man wieder auf den Ätna zu sprechen. Aurelio berichtete von einer Eruption, die im fünfzehnten Jahrhundert Catania bedrohte und von den Einwohnern umgeleitet wurde.
    »Die Männer trugen nasse Rinderhäute zum Schutz gegen die Hitze. Sie bekämpften die Lava mit Brechstangen und Spitzhaken. Das Magma floß auf eine andere Ortschaft zu, brandete dort gegen die Stadtmauer, drückte sie ein und floß einen Kilometer weiter ins Meer.«
    John Barron hatte sich sofort neben Martin gesetzt. Er war dabeigewesen, als die amerikanische Marine vor ein paar Jahren versucht hatte, den Krater zu verstopfen. Hubschrauber hatten bis zu sieben Tonnen schwere Betonblöcke abgeworfen.
    »Die meisten lösten sich im Magma auf wie Zwiebäcke in heißer Milch«, erläuterte John in seiner bildhaften Sprache.
    »Der Ätna ist heute erschöpft«, sagte Helmut. »Aber wer weiß, was ihm in den Sinn kommt, wenn morgen der Druck wieder zunimmt? Unter morgen verstehe ich natürlich: in ein- oder zweitausend Jahren«, fügte er hinzu und blinzelte wie ein Faun unter seiner strubbeligen Mähne.
    Luciana hielt ihre Zigarette mit zwei goldberingten Fingern in die Luft.
    »Kein Problem. Wir werden Kerzen anzünden und die heilige Agatha durch die Felder tragen. Sie hat uns nie im Stich gelassen.«
    Inzwischen wurde das Essen aufgetragen. Die Dänen lächelten etwas gequält, als man ihnen »Pasta con sepie« – Nudeln mit schwarzen Tintenfischen – und »Trippa a la Nonna« -Kutteln – servierte. Martin starrte mich an, lange, ohne ein Wort zu sagen. Seine Augen hatten einen transparenten Schein, und ich witterte sofort eine Hinterlist. Manuel behandelte er wie Luft.
    Schließlich schenkte er mir ein unsicheres Lächeln.
    »Darling, was ist los?« Seine Stimme schnurrte sanft wie früher. »Du machst einen vollkommen erschöpften Eindruck. Hattet ihr viel Arbeit im Institut?«
    »Eigentlich nicht mehr als sonst.«
    Er hatte viel Wein getrunken und wenig gegessen. Gleich geht es wieder los, dachte ich voller Wut, und die bewußte Formulierung dieses Gedankens gab mir den nötigen Rückhalt.
    »Was hast du in letzter Zeit so gemacht?«
    »Nichts Besonderes, Martin.«
    Er fuhr mit der Hand durch sein welliges Haar.
    »Du bist nicht gerade redselig. Früher war das anders. Erinnerst du dich, wie schön wir es hatten?«
    Es roch nach Essen, Wein und Rauch. Ich brachte plötzlich keinen Bissen mehr herunter. Martins bloße Anwesenheit schnürte mir die Kehle zu. Aber es war nicht nur das. Was war es nur? Wieder brach mir der Schweiß aus. Ich sagte:
    »Warum willst du mich zum Reden bringen, Martin?«
    »Weil ich mich nach wie vor für das interessiere, was du machst. Du hast die Telefonnummer gewechselt und stehst auch nicht mehr im Telefonbuch.«
    »Nein.«
    »Meinetwegen?«
    »Kann schon sein.«
    »Und jetzt lebst du also nicht mehr allein.«
    »Das geht dich nichts an.«
    Er trank einen Schluck Wein und sah Manuel stirnrunzelnd an. »Sie haben mich nicht ernst genommen, damals in diesem griechischen Dorf.
    Sie hören ja nie zu, wenn man mit ihnen redet.«
    Manuels Gesicht konnte leer und steinern werden, so daß man bei ihm nicht wußte, woran man war. Man konnte denken, daß er ganz einfach zerstreut war. Allem Anschein nach dachte Martin das jetzt.
    »Bisweilen höre ich schon zu«, sagte Manuel. »Aber es gibt wirklich nicht viele Dinge im Leben, die ich ernst nehme.«
    Martin blähte gereizt die Nüstern.
    »Ich habe keinen Schimmer davon, was in Ihrem Gehirn eigentlich vorgeht.«
    »Darüber sollten Sie sich keine Gedanken machen.«
    Ich legte meine Gabel nieder. Martin benahm sich, als ob ihm diese Art von Spott und Herausforderung ein besonderes Vergnügen bereitete. Aber es war noch erträglich. Ich hatte

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