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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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mich weiter, Schritt für Schritt. Manuel ging vor mir und trug meinen Rucksack. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen und wartete. Er blickte mich an, aber ich schaute zu Boden. Ich mußte aufpassen, wo ich meine Füße hinsetzte. Die Kraft, die ich hatte, schien mir die einer Neugeborenen.
    Luciana war nachtblind und stolperte hinter uns her; Aurelio hielt sie am Ellbogen fest. Der Himmel, zuerst bläulich rosa, verfärbte sich ungeheuer rot, als ob sich der Lavafluß in den hohen Luftschichten spiegelte. Die Temperatur war stark gesunken, der Wind heulte und pfiff. Purpurne Dämpfe wehten über die Grate. In der Dämmerung drehte ein Bussard seine Runden, wie Filigran in den roten Himmel gezeichnet, sich schwerelos dem Wind überlassend. Manuel sah ihm nach.
    »Sieht er nicht aus, als sei er der eigentliche Herr hier oben?«
    Ein purpurnes Aufleuchten zog ein kurzes Violett nach sich, das in der Dunkelheit versank. Alain knipste eine Taschenlampe an. Die Forscher waren schon gegangen; die Fotografen, mit heiler Haut davongekommen, bildeten den Schluß. Man sah ihre Taschenlampen blinken. Unsere Körper waren von der Kälte steif geworden, die Muskeln von der Anstrengung verhärtet. Doch es war nicht mehr sehr weit, jetzt. Bald blitzte auf einer Steinkuppe vor uns ein Lichtpunkt auf: die Herberge. Der Vulkan und seine Geheimnisse blieben zurück in der Finsternis. Bar und Restaurant waren erleuchtet, es roch nach Essen und Zigarettenrauch, und auf dem Parkplatz standen ein paar Wagen mehr.
    »Hier oben herrscht ja Hochbetrieb«, stellte Alain mißmutig fest,
    »hoffentlich kommen bloß keine Touristen, die können wir nicht gebrauchen.«
    Als wir in einer Welle kalter Luft das Rasthaus betraten, saß Martin im Restaurant an einem Tisch und rührte mit einem Löffel in einer Tasse Kaffee. Er sah uns kommen, zog seinen großen Körper in die Höhe und lächelte jungenhaft.
    »Wann bist du angekommen?« fragte Alain.
    »Vor zehn Minuten. Ich bin in eine Schranke gefahren. Warum sind die eigentlich nicht beleuchtet?«
    Aurelio grinste.
    »Die Bauern brauchen die Azelytenlampen für ihre Kuhställe.«
    Alain stellte uns vor. Martin gab Luciana und Aurelio die Hand. Zu mir sagte er mit einem tiefen Blick:
    »Darling, wie schön, daß du da bist!«
    Er trug sein Haar jetzt länger. Braune Locken kräuselten sich über dem Rollkragen seines blauen Kaschmirpullovers, der seine leuchtenden Augen vorteilhaft zur Geltung brachte. Und er hatte immer noch die kleine Narbe in der linken Lachfalte.
    »Wie war es in Spanien?« fragte ich.
    »Heiß«, erwiderte er gedehnt. »Es ist sehr heiß in Spanien im Sommer.«
    »Der Ätna ist heißer«, sagte Alain mit gewichtigem Ernst.
    Martin gestattete sich den seltenen Luxus eines Lächelns.
    »Tolle Sache, diese Eruption. Man sieht sie von Catania aus.«
    »Ja, ja, der Berg rumort ganz anständig.« Alain rieb sich die Hände mit kratzendem Geräusch. »Da gibt es prächtige Aufnahmen zu machen.«
    »Davon bin ich überzeugt. Ich werde meine neuen EOS testen.«
    Martin sah plötzlich Manuel und runzelte die Stirn.
    »Haben wir uns nicht in Griechenland getroffen? Ich hatte keine Ahnung, daß Sie sich mit Vulkanismus befassen.«
    »Oh nein«, sagte Manuel. »Ich sehe mir nur die Lava an.«
    »Eine tolle Beschäftigung haben Sie da«, entgegnete Martin.
    Manuel antwortete in liebenswürdigster Weise, er mache das sehr gewissenhaft.
    Martin schien etwas zu stutzten, bevor er sich von ihm abwandte, mir prüfend ins Gesicht sah. Ich erwiderte kühl seinen Blick.
    »Ariana«, sagte er mit sanfter Stimme. »Wie geht es dir denn?«
    »Sehr gut.«
    »Du hast noch dein süßes Lächeln. Aber du siehst blaß aus.«
    »Wir haben vier Stunden lang Messungen vorgenommen.« Luciana schlug vor, etwas zu trinken. Sie winkte dem Wirt und empfahl einen Pellegrino-Marsala, der sich gut als Aperitif trinken ließ. Ich suchte die kleine, aber saubere Toilette auf, zog meine alte Windjacke aus und betrachtete mich ärgerlich im Spiegel. Ich wußte, wie schnell sich Martins einnehmendes Wesen in ein anderes, streitsüchtiges Ich verwandeln konnte.
    Er hatte natürlich nicht erwartet, Manuel hier oben anzutreffen. Jetzt baute er Gehässigkeit auf. Mein Haar roch schweflig und war strähnig. Ich sah die Linien auf meiner Stirn und an meinen Mundwinkeln und die blauen Ringe unter den Augen. Was war nur mit mir? Ich wollte jetzt nicht darüber nachdenken. Ich wusch mir Gesicht und Hände, kämmte mich und ging nach

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