Feuerfrau
einer Weile das Schweigen brach.
»Ist das nicht phantastisch, Manuel? Deshalb übe ich diesen Beruf aus.
Ich bin verrückt nach Vulkanen. Sie sind da – für nichts, für sich. Das gefällt mir so. Sie waren und sind und werden dort sein, heute wie in Jahrmillionen.«
»Eine unveränderte Ewigkeit«, murmelte Manuel, »Ja, ich verstehe. Wir stehen ganz fern, am Rand der Welt, und sehen die Schöpfung.«
»Sie läßt sich nicht zähmen, Manuel. Wie gut! Die Welt wäre ein unausstehlicher Ort, wenn es keine Erdbeben, keine Überschwemmungen und keine Vulkane gäbe. Dann wären die Menschen noch selbstherrlicher.«
Die anwesenden Forscher hatten sich auf dem Lavafeld verteilt. Im Laufe unserer Arbeit begegneten wir uns und schüttelten einander die Hände. Die Geologen aus Tübingen – zum Teil noch Studenten – wurden von einem Professor angeführt, braungebrannt und drahtig, mit einer weißen Mähne. Helmut, wie ihn die Studenten zwanglos nannten, war Spezialist für Geochemie und hatte ein paar Jahre auf Hawaii gelebt. Die beiden Dänen lehrten am Geologischen Institut der Universität Aarhus. Sie führten bereits einen prächtigen Sonnenbrand spazieren, redeten so laut, daß es über die ganze Bergflanke schallte, und sprachen kein einziges Wort Italienisch. Ein hochgewachsener Farbiger klopfte sich den Staub aus den Kleidern, bevor er uns die Hand gab. John Barron kam aus San Francisco und war Dozent für Mineralogie. Er hatte eine ganz tiefe, schnurrende Stimme. Seine Augen leuchteten, als seien sie auf dem Gesicht aufgemalt, und warfen auch auf mich einen Strahl. Die Fotografen, mit den teuersten und besten Kameras behangen, übertrafen sich gegenseitig auf der Suche nach waghalsigen Blickwinkeln. Mahnungen zur Vorsicht wiesen sie achselzuckend von sich. Ein schwarzgelockter Schönling wurde ausgesprochen lyrisch: »Signorina, sie sind sehr attraktiv, aber die Gefahr ist bezaubernd.«
Man konnte sie nur ihrem Schicksal überlassen.
Wir sprachen über die möglichen Folgen der Eruption und waren uns ziemlich einig, daß die Flüssigkeit sehr ungleichmäßig siedete, wegen der dauernden Veränderung in den Schloten. John Barron, der ausgezeichnet Italienisch sprach, lieferte einen bildhaften Vergleich:
»Es ist wie ein Gartenschlauch. Wenn Sie ihn an mehreren Stellen mit einer Klemme einengen, spritzt das Wasser rhythmisch auf den Rasen.«
Inzwischen maß Alain die Veränderungen am Boden mit seinem Nivellierinstrument und stellte zufrieden fest, daß sie »bedeutend« waren.
Ich suchte mir eine geeignete Stelle aus, wo ich nahe an das Magma herantreten konnte. Die Glut war an der Oberfläche zu Schlackenblöcken erstarrt, die langsam vorbeirollten und von der hervorquellenden Lava überflutet wurden. Die Gase aus der Krateröffnung machten die Luft stickig, entwichen jedoch gut, so daß keine Explosionsgefahr bestand. Die Hitze schlug mir ins Gesicht, und die Schwefelausdünstungen verursachten mir ein leichtes Schwindelgefühl. Es war das erste Mal, daß ich Hitze als unangenehm empfand. Ich beugte mich nieder, mit dem Thermoelement in der Hand, um die Temperatur zu messen.
»Ariana, deine Handschuhe!« rief Luciana erschrocken.
Ich wollte ihr sagen, daß ich keine benötigte, doch sie stand schon da und reichte mir die Asbesthandschuhe. Ich streifte sie über und tauchte das Thermoelement in die Lava; sofort klammerte sich die Glut daran wie ein kleines rotes Tier.
»Wieviel macht es aus?« fragte mich Luciana.
»1000 “C sagte ich, etwa 300 “C unter dem Schmelzpunkt von Stahl.«
Alain schnalzte mit der Zunge.
»Ausgezeichnet. Da sitzt Druck dahinter.«
Ich nickte und trat zurück. Die Lava leuchtete wie Blutorangen. Ich konnte den Schwefelgeruch nicht ertragen. Sie dürfen es nicht merken, dachte ich. Mir war ausgesprochen übel.
Inzwischen wurde es Abend; die Sonne sank schnell. Aus der Tiefe des Kraters drangen mit verstärkter Wucht rumpelnde Geräusche, die wie ein Echo durch die ganze Bergflanke zuckten.
»Die Spalte vergrößert sich!« Alain freute sich auf fast kindliche Art.
»Oh, das ist fabelhaft, solche Kraterspalten ohne Aschenwolken sind die besten. Ich meine, da kann man dem Vulkan so richtig auf die Haut rücken.«
Aurelio wiegte nachdenklich den Kopf.
»Die Lava kriecht nach Südosten, auf San Alfio zu. Hoffentlich kommt sie zum Stillstand, bevor sie bewohnte Gebiete erreicht.«
Es dunkelte, als wir den Rückweg antraten. Meine Gelenke schmerzten, ich schleppte
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