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Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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an.
    »Komm«, sagte er.
    Charlie ging mit.
8
    Der Tag war kühl und heiter. Um zwölf Uhr dreißig schlenderte Rainbird über den noch grünen Rasen auf die L-förmig angelegten Ställe mit ihrem roten Anstrich – die Farbe von trocknendem Blut – und den weißen Verzierungen zu. Große Schönwetterwolken zogen langsam über den Himmel. Eine leichte Brise zerrte an seinem Hemd.
    Falls jemand sterben sollte, war dieser Tag dafür geeignet.
    Im Stall ging er zum Büro des Oberstallknechts und trat ein. Er zeigte seinen Ausweis mit der A-Klassifizierung.
    »Ja, Sir?« sagte Drabble.
    »Räumen Sie das Gebäude«, sagte Rainbird. »Alles raus. Fünf Minuten.«
    Der Stallknecht wagte keinen Widerspruch, und wenn er ein wenig blaß wurde, war es bei seiner gesunden Bräune kaum zu erkennen. »Auch die Pferde?«
    »Nur die Leute. Hinten raus.«
    Rainbird trug eine Arbeitsmontur. Die Taschen der Hose waren weit, und aus einer dieser Taschen zog er eine großkalibrige Pistole. Ohne Anzeichen von Überraschung betrachtete der Oberstallknecht die Waffe. Rainbird hielt sie locker in der Hand; der Lauf zeigte nach unten.
    »Wird es Ärger geben, Sir?«
    »Vielleicht«, sagte Rainbird ruhig. »Ich weiß es nicht genau. Beeilen Sie sich, Alter.«
    »Ich hoffe nur, daß den Pferden nichts passiert.« Rainbird lächelte. Das hofft sie wohl auch, dachte er. Er hatte ihre Augen gesehen, wenn sie bei den Pferden war. Und dies Gebäude mit dem losen Heu in den Raufen, den Heuballen auf dem Boden und dem vielen trockenen Holz ringsum war das reinste Pulverfaß. Ein Pulverfaß mit vielen Rauchverbotsschildern.
    Er wanderte auf einem schmalen Grat.
    Aber seit er im Laufe der Jahre immer sorgloser mit seinem Leben umgegangen war, hatte es wesentlich schmalere gegeben.
    Er ging zu den großen Doppeltüren zurück und hielt Ausschau. Noch war niemand zu sehen. Er wandte sich ab und ging an den Boxen entlang. Der süßliche, scharfe Geruch der Pferde drang ihm in die Nase. Er vergewisserte sich, daß die Boxen alle verriegelt waten.
    Dann ging er wieder zu den Doppeltüren. Zwei Gestalten. Sie waren noch jenseits des Ententeichs, etwa fünf Minuten Fußweg entfernt. Es waren nicht Cap und Andy McGee. Es waren Don Jules und Charlie.
    Komm zu mir, Charlie, dachte er zärtlich. Komm jetzt zu mir. Er schaute einen Augenblick zum dunklen Heuboden hinauf, trat dann an die Leiter – einfache, an einen Balken genagelte Holzsprossen – und stieg leicht und geschmeidig nach oben.
    Drei Minuten später traten Charlie und Don Jules in den schattigen und kühlen Stall. Sie blieben am Eingang stehen, bis ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Die .357 Magnum in Rainbirds Hand war so umgebaut, daß ein Schalldämpfer angebracht werden konnte, den Rainbird selbst konstruiert hatte. Wie eine seltsame schwarze Spinne saß er auf dem Lauf. Sehr wirksam war das Ding allerdings nicht: es ist fast unmöglich, eine großkalibrige Waffe ohne Lärm abzufeuern. Wenn – falls – er abdrückte, würde es beim ersten Mal ein heiseres Bellen geben, beim zweiten Mal einen dumpfen Knalls und dann würde der Schalldämpfer nicht mehr funktionieren. Rainbird hoffte, daß es ihm erspart bleiben würde, von der Waffe Gebrauch zu machen, aber vorläufig hielt er sie mit beiden Händen so, daß der Schalldämpfer sich auf einen kleinen Kreis auf Don Jules’ Brust ausrichtete.
    Jules sah sich vorsichtig um.
    »Sie können gehen«, sagte Charlie.
    »Heh!« rief Jules laut, ohne Charlie zu beachten. Rainbird kannte Jules. Ein Agent nach Vorschrift. Buchstabengetreu führte er jeden Befehl aus, und niemand konnte ihm an den Karren fahren. Er sicherte sich immer ab. »Heh, Stallknecht. Ist denn niemand hier? Ich bringe das Kind!«
    »Sie können jetzt gehen«, sagte Charlie noch einmal, und wieder ignorierte Jules sie.
    »Komm«, sagte er und umklammerte Charlies Handgelenk. »Wir müssen jemanden finden.«
    Mit einigem Bedauern machte Rainbird sich bereit, Don Jules zu erschießen. Es hätte schlimmer kommen können; wenigstens würde Jules nach Vorschrift sterben. Und abgesichert.
    »Ich sagte, daß Sie jetzt gehen können«, sagte Charlie, und plötzlich ließ Jules ihre Hand los. Er ließ sie nicht einfach los; er riß seine Hand weg, wie man es tut, wenn man etwas Heißes angefaßt hat.
    Aufmerksam beobachtete Rainbird diese interessante Entwicklung. Jules hatte sich umgedreht und sah Charlie an. Er rieb sich das Handgelenk, aber Rainbird konnte nicht erkennen,

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