Feuerkind
Türen der Boxen entlang, die den längeren Balken des L bildeten. Qualmend und durch die Hitze verbogen, lösten sich die Verriegelungen nacheinander und fielen auf den Stallboden.
Der rückwärtige Teil des Stalles hatte sich, nachdem die Kraft, wie aus einer psychischen Kanone abgefeuert, über Cap und Rainbird hinweggerast war, in ein Inferno von brennenden Balken und Brettern verwandelt. Brennendes, splitterndes Holz schoß in einem breiten Fächer fünfzig Meter weit nach draußen, und die Agenten der Firma, die dort standen, wurden niedergestreckt. Ein Mann namens Clayton Braddock wurde von einem heranwirbelnden Brett aus der Seitenwand der Scheune enthauptet. Der Mann neben ihm wurde von einem Balken, der wie ein verrückt gewordener Propeller durch die Luft sauste, in zwei Teile gerissen. Einem dritten trennte ein brennendes Stück Holz ein Ohr ab, und er merkte es erst zehn Minuten später.
Die Gefechtslinie der Agenten löste sich auf. Wer nicht mehr rennen konnte, kroch davon. Nur ein Mann blieb auf seinem Posten, wenn auch nur kurz. Es war George Sedaka, der Mann, der in New Hampshire zusammen mit Orv Jamieson Andys Briefe geraubt hatte. Sedaka hatte auf dem Weg nach Panama City nur kurz auf dem Gelände der Firma Station gemacht. Der Mann, der links von Sedaka gestanden hatte, lag jetzt stöhnend im Gras. Der Mann rechts von Sedaka war der unglückliche Clayton Braddock gewesen.
Sedaka selbst war wie durch ein Wunder unverletzt geblieben. Keiner der brennenden Splitter hatte ihn getroffen. Ein scharfkantiger Packhaken hatte sich keine zehn Zentimeter neben seinen Füßen in die Erde gebohrt. Er war rotglühend, und ein Treffer wäre tödlich gewesen.
Der hintere Teil des Stalles sah aus, als hätte man dort ein halbes Dutzend Stangen Dynamit gezündet. Herabgestürzte, brennende Balken lagen um ein schwarzes Loch von etwa acht Metern Durchmesser herum. Ein großer Komposthaufen hatte Charlies explosiv hervorbrechende Energien zum großen Teil aufgefangen und brannte jetzt. Was hinten im Stall noch intakt war, fing ebenfalls an zu brennen.
Im Gebäude hörte Sedaka die Pferde wiehern und schreien. er sah das gespenstische Orangerot der Flammen aufleuchten, als sie sich zu dem Boden mit dem vielen trockenen Heu emporfraßen. Es war, als ob man durch ein Tor direkt in die Hölle schaute.
Plötzlich beschloß Sedaka, daß er von alledem nichts mehr sehen wollte.
Es war ein wenig unangenehmer, als auf irgendwelchen Landstraßen unbewaffnete Postbeamte zu überfallen. George Sedaka steckte seine Pistole ein und lief davon.
19
Sie konnte noch immer keinen klaren Gedanken fassen und konnte nicht begreifen, was geschehen war. »Daddy« schrie sie. »Daddy! Daddy!«
Alles war auf gespenstische Weise verschwommen. Heißer, erstickender Rauch lag in der Luft, und überall zuckten rote Flammenblitze. Die Pferde traten immer noch gegen die Türen ihrer Boxen, und die Türen, die nicht mehr verriegelt waren, sprangen auf. Wenigstens einigen der Pferde war es gelungen, sich zu befreien.
Charlie sank auf die Knie und tastete sich zu ihrem Vater vor. Die Pferde rasten an ihr vorbei ins Freie, aber sie nahm sie nur als undeutliche Schemen wahr. Von oben stürzte ein brennender Sparren herab und entzündete das lose Heu in den Raufen. An der kurzen Seite des L explodierte mit dumpfem Knall ein Dreißiggallonenfaß voll Traktorentreibstoff.
Nur um Zentimeter verfehlten die Hufe der flüchtenden Tiere Charlies Kopf, während sie wie blind dahinkroch. Dann streifte sie der Huf eines der Pferde, und sie taumelte zurück. Mit der einen Hand fühlte sie einen Schuh.
»Daddy?« wimmerte sie. »Daddy?«
Er war tot. Sie war sicher, daß er tot war. Alles war tot; die Welt stand in Flammen; sie hatten ihre Mutter getötet, und jetzt hatten sie auch ihren Vater umgebracht.
Sie konnte wieder ein wenig sehen, aber alles war noch trübe. In Wellen ging die Hitze über sie hinweg. Sie tastete an seinem Bein entlang, berührte seinen Gürtel, und dann glitten ihre Finger über sein Hemd, bis sie einen feuchten, klebrigen Fleck erreichten, der sich ausbreitete. Entsetzt hielt sie inne. Sie wagte es nicht, ihre Finger weiterzubewegen.
»Daddy?« flüsterte sie.
»Charlie?«
Es war nur ein leises, rauhes Krächzen … aber er war es.
Seine Hand fand ihr Gesicht, und kraftlos zog er sie an sich. »Komm her. Komm … näher.«
Sie schob sich neben ihn, und jetzt tauchte sein Gesicht aus dem grauen Nebel auf. Die linke Seite
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