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Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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lagen tot im Gras. Ein drittes lag halb auf dem Rasen, halb auf dem Kies der Auffahrt, und seine Flanken hoben und senkten sich in schnellem Rhythmus. Drei Tiere brachen in ihrer Angst nach links aus und rasten auf die vier oder fünf Männer zu, die dort verteilt lagen. Sie versuchten, den Tieren aus dem Weg zu laufen, während sie immer noch schössen, aber einer stolperte über seine eigenen Füße und schrie grauenhaft, als er zertrampelt wurde.
    »Hört auf!« kreischte Jules. »Hört auf! Einstellen – Feuer einstellen! Verdammt noch mal, hört auf zu schießen, ihr Arschlöcher!«
    Aber das Massaker nahm seinen Fortgang. Mit seltsam leerem Gesichtsausdruck luden die Männer nach. Viele von ihnen waren wie Rainbird Veteranen des Vietnamkriegs, und ihre Gesichter zeigten den stumpfen, entsetzten Audruck von Männern, vor denen mit wahnsinniger Intensität ein alter Alptraum wieder lebendig wird. Einige hatten das Feuer eingestellt, aber sie waren in der Minderheit. Fünf Pferde lagen verwundet oder tot im Gras oder auf dem Kies. Ein paar andere waren davongaloppiert, und unter ihnen war Necromancer, der seinen Schweif wie ein Feldbanner flattern ließ.
    »Das Mädchen!« brüllte jemand und zeigte auf die Stalltür. Das Mädchen!«
    Es war zu spät. Das Abschlachten der Pferde war kaum zu Ende, und ihre Aufmerksamkeit war abgelenkt. Als sie endlich dorthin schauten, wo Charlie stand, den Kopf gesenkt, klein und unheildrohend in ihrem Drellanzug und den blauen Kniestrümpfen, strahlten von ihr die Feuerstränge aus und bewegten sich auf die Männer zu wie die Fäden eines tödlichen Spinnennetzes.
21
    Charlie war tief in ihre furchtbaren Kräfte eingetaucht und empfand das als Erleichterung.
    Der Verlust ihres Vaters, der sie scharf und schneidend wie ein Dolchstoß getroffen hatte, trat zurück und war nur noch ein dumpfer Schmerz.
    Wie immer fand sie Gefallen an ihrer Fähigkeit, wie an einem faszinierenden und schrecklichen Spielzeug, dessen ganze Möglichkeiten noch der Entdeckung harrten.
    Die Feuerstränge rasten auf die schon gelichtete Formation der Männer zu.
    Ihr habt die Pferde getötet, ihr Schweine, dachte sie, und wie ein Echo hallte die Stimme ihres Vaters in ihr nach: Wenn du die Leute umbringen mußt, die sich dir in den Weg stellen, dann tu es. Dies ist Krieg, und sie sollen es erfahren.
    Ja, beschloß sie, sie wollte ihnen schon zeigen, daß dies Krieg war.
    Einige der Männer gaben auf und rannten. Mit einer leichten Kopfbewegung lenkte sie eine der Feuerschlangen nach rechts, und drei von ihnen waren in Flammen gehüllt. Ihre Kleidung bestand nur noch aus brennenden Fetzen. Sie stürzten zu Boden und wälzten sich schreiend im Gras.
    Etwas pfiff an Charlies Kopf vorbei, und etwas anderes zog eine heiße Spur über ihr Handgelenk.
    Es war Jules, der sich aus Richards Station ein neues Gewehr geholt hatte. Breitbeinig stand er da, die Waffe im Anschlag, und schoß auf sie.
    Charlie stieß zu: sie konzentrierte ihre ganze Energie auf ihn, und es war wie ein Donnerschlag.
    Urplötzlich und mit furchtbarer Gewalt wurde Jules zurückgeschleudert. Es war, als hätte ihn die Abrißbirne eines riesigen, unsichtbaren Krans mit ihrer ganzen Wucht getroffen. Er schoß fünfzehn Meter weit durch die Luft, kein Mensch mehr, sondern ein brodelnder Feuerball.
    Dann stob alles auseinander und rannte. Sie rannten, wie sie auf der Mandersfarm gerannt waren.
    Gut, dachte sie. Gut für euch.
    Sie wollte keine Menschen töten. Das hatte sich seit früher nicht geändert. Was sich geändert hatte: heute war sie bereit zu töten, wenn es sein mußte. Wenn man sich ihr in den Weg stellte.
    Sie ging auf das am nächsten gelegene der beiden Gebäude zu, hinter dem eine Scheune stand. Es war ein Augenblick wie aus dem Bilderbuch. Jenseits der weiten Rasenfläche lag das zweite Gebäude.
    Mit dem Knallen von Gewehrschüssen zerplatzten die Fensterscheiben. Das Efeuspalier, das sich an der Ostseite hochrankte, erzitterte und fing dann an mehreren Stellen an zu brennen. Die Farbe qualmte, warf Blasen und flammte auf. Wie Hände, die nach etwas griffen, erreichte das Feuer das Dach.
    Eine der Türen flog auf, und das aufgeregte Heulen der Alarmsirene war zu hören. Zwei Dutzend Sekretärinnen, Techniker und Analytiker stürzten aus dem Haus. Sie rannten quer über den Rasen zum Zaun und machten vor der tödlichen Stromspannung des Zauns und den kläffenden Hunden Halt. Sie drängten sich wie verängstigte Schafe zusammen.

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