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Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sank im Gras auf die Knie und weinte. Sie trauerte um ihren Vater, um die Menschen, die sie umgebracht hatte, sogar um John. Vielleicht wäre das, was Rainbird mit ihr beabsichtigt hatte, das Beste für sie gewesen, aber trotz ihres Vaters Tod, trotz all der Zerstörungen, die sie auf sich geladen hatte, fühlte sie sich vom Leben angesprochen, hatte sie den stummen und zähen Willen zum Überleben.
    Und deshalb trauerte sie vielleicht am meisten über sich selbst.
24
    Wie lange sie, den Kopf in die Arme gestützt, auf dem Rasen gesessen hatte, wußte sie nicht; so unmöglich es auch schien, sie meinte sogar, kurz eingeschlafen zu sein. Wie lange es auch gewesen sein mochte, als sie sich ihrer Umgebung wieder bewußt wurde, sah sie, daß die Sonne wieder heller war und ein wenig weiter westlich stand. Ein leichter Wind hatte den letzten Dampf aus dem kochenden Teich auseinandergeweht.
    Langsam stand Charlie auf und schaute sich um.
    Zuerst fiel ihr der Teich ins Auge. Sie sah, daß es eben noch gutgegangen war … eben noch. Nur ein paar Wasserpfützen waren geblieben, die, von der sinkenden Sonne beschienen, wie in den glatten Teichgrund eingelegter, heller Glasschmuck wirkten. Hier und da lagen schlammbedeckte Wasserlilien und andere Wasserpflanzen wie beschädigte Juwelen herum; stellenweise war der Schlamm schon getrocknet und gerissen. Sie sah ein paar Münzen und einen verrosteten Gegenstand, vielleicht ein langes Messer oder die Klinge eines Rasenmähers. Das Gras um den Teich herum war schwarz.
    Über dem Gelände der Firma lag tödliche Stille, die nur von dem Knacken und Prasseln der verschiedenen Feuer unterbrochen wurde. Ihr Vater hatte ihr geraten, ihnen zu zeigen, daß sie sich im Krieg befanden, und was hier noch übrig war, sah wirklich wie ein verlassenes Schlachtfeld aus. Der Stall, die Scheune und das Haus jenseits des Teichs standen noch immer in hellen Flammen. Von dem Haus auf der anderen Seite waren nur rauchende Trümmer übriggeblieben, als sei das Gebäude von einer großen Brandbombe oder einer V2-Rakete des Zweiten Weltkriegs getroffen worden.
    Über den Rasen liefen in alle Richtungen versengte und geschwärzte Streifen, die ein verrücktes spiralenförmiges Muster bildeten und noch rauchten. Die gepanzerte Limousine, unter der die Explosionen den Boden ausgehöhlt hatten, war ausgebrannt. Sie hatte mit einem Wagen keine Ähnlichkeit mehr und sah nur noch aus wie ein gestaltloser Haufen Schrott.
    Am schlimmsten sah es am Zaun aus.
    Auf dem Gelände innerhalb des Zauns lagen ein halbes Dutzend Leichen. Zwischen den beiden Zäunen lagen zwei oder drei weitere und auch zahlreiche tote Hunde.
    Wie im Traum schlug Charlie die Richtung zum Zaun hin ein.
    Auf dem Rasen bewegten sich noch andere Leute, aber nur wenige. Zwei von ihnen sahen Charlie kommen und rannten ihr aus dem Weg. Einige schienen keine Ahnung zu haben, wer sie war, und nicht zu wissen, daß sie das alles verursacht hatte. Sie gingen mit den merkwürdig verträumten Schritten von Leuten, die eine Katastrophe überlebt haben und unter Schockeinwirkung stehen.
    Charlie machte sich daran, über den inneren Zaun zu klettern.
    »Das würde ich nicht tun«, rief ein Mann in weißer Wärterkleidung ihr zu. »Wenn du das tust, fallen dich die Hunde an, Mädchen.«
    Charlie beachtete ihn nicht. Die verbliebenen Hunde knurrten zwar, aber sie kamen nicht näher; auch sie schienen genug zu haben. Sie kletterte über den äußeren Zaun, wobei sie sich langsam und vorsichtig bewegte und bedächtig die Spitzen ihrer Mokassins in die rautenförmigen Zwischenräume schob.
    Oben angekommen, schwang sie erst ein Bein, dann das andere über den Zaun und kletterte auf der anderen Seite ebenso vorsichtig wieder nach unten. Zum ersten Mal seit einem halben Jahr stand sie jetzt auf einem Gelände, das nicht der Firma gehörte. Einen Augenblick blieb sie einfach stehen, als ob auch sie unter Schockeinwirkung stünde.
    Ich bin frei, dachte sie dumpf. Frei.
    In der Ferne hörte man Sirenengeheul, das rasch näher kam.
    Die Frau mit dem gebrochenen Arm saß immer noch im Gras, etwa zwanzig Schritte von dem verlassenen Kontrollgebäude entfernt. Sie sah aus wie ein dckes Kind, das zu faul ist aufzustehen. Sie war blaß unter den Augen, ihre Lippen hatten eine bläuliche Färbung angenommen.
    »Ihr Arm«, sagte Charlie heiser.
    Die Frau schaute hoch, und ihr Blick zeigte, daß sie Charlie erkannt hatte. Vor Angst wimmernd, kroch sie zur Seite. »Komm mir

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