Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Hund, verfehlte ihn und zerschmetterte statt dessen dem jungen Mann den Ellenbogen. Der Labortechniker stürzte und wälzte sich am Boden, wobei er sich den Arm hielt und die Heilige Jungfrau um Hilfe anflehte. OJ erschoß den Hund, bevor er dem jungen Mann die Kehle zerfleischen konnte.
    Was für ein elender Scheißdreck, stöhnte er innerlich. O Gott, was für ein elender Scheißdreck.
    Mittlerweile stiegen etwa ein Dutzend Leute über die breite Pforte. Die Frau, die OJ angetrieben hatte, war jetzt oben und fiel mit einem erstickten Schrei an der anderen Seite herunter. Sofort fing sie laut an zu schreien. Die Pforte war hoch; etwa zwei Meter siebzig; sie war falsch gelandet und hatte sich den Arm gebrochen.
    Oh, mein Gott, was für ein Elend.
    OJ wandte den Kopf und versuchte, das Kind irgendwo zu entdecken. Er wollte sehen, ob es sie vielleicht verfolgte. Wenn das der Fall war, sollten die Leute selbst sehen, wie sie damit fertig wurden; er hätte dann schon den Zaun hinter sich und wäre verschwunden.
    Plötzlich schrie einer der Analytiker gellend auf. »Was, um Gottes willen –«
    Das zischende Geräusch schwoll an und übertönte seine Stimme. Später behauptete OJ, daß er zuerst geglaubt habe, seine Großmutter würde Eier braten, nur war dieses Geräusch millionenfach lauter, als hätte sich ein ganzer Stamm von Riesen entschlossen, gemeinsam Eier zu braten.
    Das Geräusch schwoll immer noch an, und plötzlich war der Ententeich zwischen den beiden Häusern von aufsteigendem weißem Dampf eingehüllt. Der ganze Teich, etwa fünfzehn Meter im Durchmesser und in der Mitte ein Meter fünfzig tief, kochte.
    Ganz kurz konnte OJ Charlie erkennen, die etwa zwanzig Meter vom Teich entfernt stand, den Rücken den Leuten zugewandt, die immer noch versuchten, den Zaun zu überwinden, und dann war sie im Dampf verschwunden. Das Zischen hörte nicht auf. Weißer Nebel zog über den grünen Rasen, und die helle Herbstsonne malte bizarre Regenbögen auf die feuchten Schwaden. Die wogende Dampfwolke verteilte sich über dem Gelände. Wie Fliegen hingen noch einige Flüchtende am Zaun, schauten über die Schulter zurück und beobachteten das Schauspiel.
    Wenn im Teich nun nicht genug Wasser ist? dachte OJ plötzlich. Was ist, wenn es nicht ausreicht, ihr Streichholz oder ihre Fackel oder was es auch immer ist, zu löschen? Was geschieht dann?
    Orville Jamieson beschloß, nicht zu bleiben, um das herauszufinden. Er hatte lange genug die Heldenrolle gespielt. Er stieß den Revolver in das Schulterhalfter zurück und rannte fast die Pforte hoch. Elegant sprang er ab und landete federnd und geduckt neben der Frau, die sich immer noch schreiend den Arm hielt.
    »Ich rate Ihnen, sparsam mit Ihrer Luft umzugehen und verdammt schnell zu verschwinden«, sagte OJ und befolgte sofort seinen eigenen Rat.
23
    Charlie stand allein in ihrer Welt aus Weiß und lenkte ihre Energien in den Ententeich. Sie kämpfte mit ihren Kräften, versuchte, sie zu reduzieren, zur Ruhe zu bringen. Ihre Vitalität war ungebrochen. Sie hatte sie zwar unter Kontrolle und richtete sie, wie durch ein unsichtbares Rohr, gezielt in den Teich. Aber was würde geschehen, wenn alles Wasser im Teich verkochte, bevor sie den Ausbruch stoppen und zerstreuen konnte?
    Keine Zerstörung mehr. Lieber wollte sie die Kräfte auf sich lenken und sich selbst vernichten, als ihnen weiter freien Lauf lassen.
    (Zurück! Zurück!)
    Jetzt spürte sie endlich, daß die Kräfte zur Ruhe kamen, ihre … ihren Zusammenhalt verloren. Alles fiel auseinander. Überall dichter weißer Dampf und ein Geruch wie in einer Wäscherei. Sie konnte das brodelnde, zischende Wasser im Teich nicht mehr sehen.
    (ZURÜCK!!)
    Flüchtig dachte sie wieder an ihren Vater, und der Gedanke schnitt ihr ins Herz, aber gleichzeitig schien er die Kräfte weiter zurückzudrängen, und endlich ließ das Zischen nach. Majestätisch wälzte sich der Dampf an ihr vorbei. Wie eine glanzlose Silbermünze stand oben die Sonne.
    Ich habe die Sonne verändert, dachte sie verwirrt, und dann: Nein – nein, nicht ich – es ist der Dampf – der Nebel – er wird wegwehen -
    Aber mit einer plötzlichen Gewißheit, die tief aus ihrem Innern kam, wußte sie, daß sie tatsächlich die Sonne verändern konnte, wenn sie es wollte … irgendwann.
    Ihre Kräfte würden zunehmen.
    Mit diesem Akt der Zerstörung, mit dieser Apokalypse hatte sie lediglich ihre jetzigen Grenzen erreicht.
    Das Potential war kaum angezapft.
    Charlie

Weitere Kostenlose Bücher