Feuerkind
noch Zeit, an eine Geschichte zu denken, die er einmal als Kind gelesen hatte. »Das Leben ist schön« war der Titel, und ein gewisser Jerome Bixby hatte das Buch geschrieben. Es handelte von einem kleinen Kind, das seine Eltern mit Psychoterror versklavte, ein Alptraum von tausendfältig drohendem Tod, und man wußte nie … man wußte nie, wann das kleine Kind wieder böse wurde …
Charlie saß am Fuß der Treppe auf dem Hintern und heulte.
Andy drehte wütend am Knopf des Feuerlöschers und spritzte den Schaum auf das sich ausbreitende Feuer, das schnell erstickt wurde. Andy hob den schwarz verbrannten und schaumbesprühten Teddy auf und trug ihn die Treppe hin unter.
Er haßte sich dafür, aber er wußte irgendwie ganz primitv daß es getan werden mußte. Der Strich mußte gezogen, di Lektion gelernt werden. Fast stieß er ihr den Bären in daß schreiende, ängstliche, tränenüberströmte Gesicht. Oh, oh, Scheißkerl, dachte er verzweifelt, warum gehst du nicht einfach gleich in die Küche, holst ein Messer und ziehst ihr einen Strich übt jede Wange? Um sie auf diese Weise zu zeichnen? Und daran konzentrierten sich seine Gedanken. Narben. Ja, das mußte e tun. Er mußte seinem Kind Narben beibringen. Ihr Narben in die Seele brennen.
»Findest du, daß der Teddy jetzt schön aussieht?« brüllte er Der Bär war versengt und schwarz und lag noch so warm wie abkühlende Holzkohle in seiner Hand. »Gefällt es dir, daß der Teddy so verbrannt ist, daß du nicht mehr mit ihm Spieler kannst, Charlie?«
Charlie weinte in schrillen, langgezogenen Schluchzern. Ihr Gesicht war totenblaß mit roten fiebrigen Flecken, und ihn Augen schwammen in Tränen. »Bäöäähh! Teddy! Teddy!«
»Ja, Teddy«, sagte er wütend. »Teddy ist ganz verbrannt Charlie. Und wenn du den Teddy verbrennst, könntest du auch Mami und Daddy verbrennen. Du … du darfst es nicht wieder tun!« Er lehnte sich zu ihr hinüber, ohne sie auf den Arm zu nehmen oder zu berühren. »Du darfst es nie wieder tun denn es ist etwas Böses!«
»Bäääääähh –«
Er ertrug es nicht, ihr noch mehr Herzeleid zuzufügen, sie noch mehr in Angst und Schrecken zu versetzen. Er hob st hoch und ging mit ihr auf und ab, bis – sehr viel später – ihr Schluchzen abebbte, bis man schließlich nur noch hin und wieder ein leises Schnauben hörte. Als er sie ansah, hatte sie die Wange an seine Schulter gelegt und war fest eingeschlafen.
Er legte sie auf die Couch, ging ans Telefon und rief Quincey an.
Quincey wollte nicht reden. Damals, 1975, arbeitete er für eine große Flugzeugfabrik, und auf seinen jährlichen Weihnachtskarten an die McGees bezeichnete er sich immer als der für Streicheleinheiten zuständigen Vizepräsidenten. Wenn die Männer, die die Flugzeuge bauten, Probleme hatten, erwartete man, daß sie sich an Quincey wandten. Quincey half ihnen dann bei ihren Problemen – Entfremdung, Identitätskrisen, vielleicht auch ganz einfach das Gefühl, daß ihre Jobs eine ent-humanisierende Wirkung auf sie hatten – und dann gingen die Leute ans Band zurück und setzten keine Teile mehr falsch ein, und dann stürzten auch keine Flugzeuge mehr ab, und die Demokratie in der Welt war gerettet. Dafür bekam Quincey zweiunddreißigtausend Dollar im Jahr, siebzehntausend mehr, als Andy verdiente. »Ich habe nicht das geringste schlechte Gewissen«, hatte er geschrieben. »Ich finde, es ist ein kleines Gehalt für einen Mann, der Amerika fast allein über Wasser hält.«
Das war Quincey. Immer noch der gleiche zynische Humor. An dem Tag allerdings, an dem Andy ihn in Gegenwart seiner auf der Couch schlafenden Tochter, den Geruch des versengten Teddys und des angesengten Teppichs noch in der Nase, aus Ohio anrief, war er weder zynisch noch humorvoll gewesen.
»Ich habe zwei Dinge erfahren«, sagte Quincey endlich, als er sah, daß Andy sich so nicht abspeisen lassen wollte. »Aber es kommt vor, daß Telefone überwacht werden, alter Junge. Wir leben im Watergate-Zeitalter.«
»Ich habe Angst«, sagte Andy. »Vicky hat Angst. Und Charlie hat auch Angst. Was hast du erfahren, Quincey?«
»Es hat einmal ein Experiment gegeben, an dem zwölf Leute teilnahmen. Erinnerst du dich daran? Es war vor etwa sechs Jahren.«
»Und wie ich mich erinnere«, sagte Andy grimmig.
»Von den zwölf Leuten sind nicht mehr viele übrig. Als ich das letzte Mal davon hörte, waren es noch vier. Zwei davon haben einander geheiratet.«
»Ja», sagte Andy, aber er fühlte
Weitere Kostenlose Bücher