Feuerkind
Abendbrottisch, das vergessen sein würde, sobald die Bank, bei der sie die Hypothek aufgenommen hatten, das Haus versteigerte. Während er hier auf der Veranda saß, dachte Andy, daß ihm damals wohl gar nicht klargewesen war, wieviel Glück er an jenem Tag gehabt hatte. Er war zu spät gekommen, um Vicky zu retten, aber er war schon weg gewesen, als die Leute kamen die die Leiche beseitigen sollten.
Es hatte niemals etwas darüber in der Zeitung gestanden, nicht einmal eine winzige Bemerkung, wie – komische Sache -ein Collegelehrer für Englisch namens Andrew McGee und seine Familie so einfach verschwinden konnten. Vielleicht hatte die Firma auch das unterdrückt. Bestimmt hatte man nach seinem Verschwinden eine Vermißtenanzeige aufgegeben; von den Kollegen, mit denen er zu Mittag gegessen hatte, hätte es mindestens einer, wenn nicht gar alle drei getan. Aber keine Zeitung war informiert worden, und Geldeintreiber inserieren natürlich nicht.
»Sie hätten es mir angehängt, wenn sie gekonnt hätten«, sagte Andy und wußte gar nicht, daß er laut gesprochen hatte.
Aber das wäre ihnen kaum möglich gewesen. Die Gerichtsmediziner hätten den Zeitpunkt des Todes feststellen können, und Andy, der den ganzen Tag von unparteiischen Zeugen (und während seiner Vorlesung über Style und die Novelle von zehn Uhr bis elf Uhr dreißig sogar von fünfundzwanzig unparteiischen Zeugen) gesehen worden war, konnte man nichts anlasten. Selbst wenn er nicht in der Lage gewesen wäre, jeden seiner Schritte während der kritischen Zeit konkret nachzuweisen: er hatte kein Motiv.
Die beiden hatten also Vicky getötet und dann die Jagd auf Charlie aufgenommen – nicht ohne Leute damit zu beauftragen, die Leiche fortzuschaffen (Andy stellte sich unter diesen Leuten glattgesichtige junge Männer in weißen Kitteln vor). Und irgendwann, vielleicht nur fünf Minuten, ganz bestimmt aber nicht mehr als eine Stunde, nachdem er die Jagd auf Charlie aufgenommen hatte, mußten diese Leute bei seinem Haus vorgefahren sein. Während Conifer Place den Nachmittag verträumte, war Vicky fortgeschafft worden.
Vielleicht hatten sie sich – richtig – überlegt, daß eine vermißte Frau für Andy ein größeres Problem darstellen würde als eine nachweislich tote. Ohne Leiche wußte man nicht, wann der Tod eingetreten war, und wenn man das nicht wußte, gab es kein Alibi. Man würde ihn beobachten, ihn sogar hätscheln
und äußerst höflich seine Bewegungsfreiheit einschränken. Natürlich wäre Charlies Beschreibung schon weitergegeben worden – und Vickys selbstverständlich auch –, aber Andy wäre daran gehindert worden, auf eigene Faust etwas zu unternehmen. Sie war also fortgeschafft worden, und jetzt wußte er nicht einmal, wo sie begraben war. Oder vielleicht war sie auch eingeäschert worden. Oder Verdammte Scheiße, warum quäle ich mich so?
Er stand abrupt auf und goß den Rest von Großvaters Eselstritt über das Geländer. Das war alles Vergangenheit; man konnte nichts daran ändern; es war Zeit, daß er nicht mehr daran dachte.
Hervorragender Trick, wenn er es nur schaffte.
Er schaute zu den dunklen Schatten der Bäume auf, und fester schloß er die rechte Hand um das Glas, und wieder kam ihm der Gedanke:
Charlie, ich schwöre es dir, es wird alles gut werden.
6
In diesem Winter in Tashmore, so lange nach diesem elenden Erwachen in einem Motel in Ohio, schien es, als hätte sich seine verzweifelte Voraussage endlich bewahrheitet.
Sie verbrachten einen nicht gerade idyllischen Winter. Kurz nach Weihnachten erkältete Charlie sich und schniefte und hustete sich durch die Monate, bis sie Anfang April endlich wieder ganz gesund war. Eine Zeitlang hatte sie Fieber. Andy gab ihr halbe Aspirintabletten und sagte sich, daß, wenn das Fieber innerhalb von drei Tagen nicht sinken würde, er sie ohne Rücksicht auf die Konsequenzen zum Arzt nach Bradford jenseits des Sees würde schaffen müssen. Aber dann ging das Fieber doch zurück, und für den Rest des Winters war Charlies Erkältung für sie nicht mehr als eine ständige Belästigung.
Andy brachte es zu einem denkwürdigen Anlaß im März fertig, sich eine geringfügige Erfrierung zuzuziehen, und in einer klirrenden Frostnacht im Februar hätte er es fast geschafft, sie beide zu verbrennen, weil er den Holzofen überheizt hatte. Ironischerweise war es Charlie, die mitten in der Nacht aufwachte und feststellte, daß es in der Hütte viel zu heiß war.
Am 14. Dezember
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