Feuerklingen (First Law - Band 2)
ebenfalls unerwartet.
»Wollen Sie, dass ihm Schlimmeres widerfährt?«
Sie schluckte und lehnte sich langsam zurück. »Nein.«
»Es liegt an Ihnen.«
Aber es ist schön, diese Wahl zu haben.
»Vielleicht möchten Sie sich gern umziehen.«
Sie sah an sich herunter. »Oh.« Fallows Blut war ihr bis an die Knie gespritzt. »Ich habe nichts …«
»Es gibt ein ganzes Zimmer voller neuer Sachen, oben. Dafür habe ich gesorgt. Ich werde Ihnen auch einige verlässliche Dienstboten besorgen.«
»Ich brauche keine.«
»Doch, brauchen Sie. Ich werde nicht zulassen, dass Sie hier allein leben.«
Sie zuckte mutlos mit den Schultern. »Ich habe nichts, womit ich sie bezahlen könnte.«
»Machen Sie sich keine Sorgen, ich übernehme das.«
Alles möglich, dank der enormen Großzügigkeit von Valint und Balk.
»Sorgen Sie sich um nichts. Ich habe Ihrem Bruder mein Versprechen gegeben, und ich gedenke es zu halten. Es tut mir leid, dass es so weit gekommen ist. Leider hatte ich sehr viel zu tun … im Süden. Aber sagen Sie, haben Sie von ihm gehört?«
Ardee sah ruckartig auf, mit leicht geöffnetem Mund. »Sie wissen es gar nicht?«
»Was weiß ich nicht?«
Sie schluckte und sah zu Boden. »Collem war bei Prinz Ladisla, in dieser Schlacht, von der alle reden. Es wurden einige Gefangene gemacht und ausgelöst – er war nicht darunter. Man geht davon aus …« Sie hielt kurz inne und sah auf das Blut auf ihrem Kleid. »Man geht davon aus, dass er getötet wurde.«
»Getötet?« Gloktas Augenlider flatterten. Seine Knie wurden plötzlich weich. Er ging einen Schritt rückwärts und ließ sich in einen Sessel sinken. Jetzt zitterten seine Hände, und er schob sie ineinander.
Tot. Geschieht jeden Tag. Noch nicht vor allzu langer Zeit habe ich selbst viele tausend Tode verursacht, ohne allzu viele Gedanken daran zu verschwenden. Ich habe Berge von Leichen gesehen und nur die Achseln gezuckt. Wieso ist dieser eine so schwer zu verwinden?
Aber so war es.
»Getötet?«, flüsterte er.
Sie nickte langsam und barg das Gesicht in den Händen.
KALTER TROST
West spähte aus dem Gebüsch durch die treibenden Schneeflocken den Abhang hinunter und beobachtete die unionistischen Posten. Die Wachleute saßen auf der anderen Seite des Baches halbwegs im Kreis um eine dampfende Pfanne herum, die auf einem mickrigen Feuer stand. Sie trugen dicke Mäntel, der Atem dampfte vor ihren Gesichtern, und ihre Waffen lagen fast vergessen um sie herum im Schnee. West wusste, was in ihren Köpfen vorging. Bethod konnte diese Woche aufkreuzen, vielleicht auch nächste Woche, aber gegen die Kälte musste man ständig ankämpfen, jeden Tag, jede Minute.
»Also schön«, flüsterte Dreibaum. »Du gehst am besten allein dort hinunter. Wenn ich mit meinen Jungs so, wie wir aussehen, von den Bäumen aus auf sie zurenne, erschrecken sie sich möglicherweise.«
Der Hundsmann grinste. »Und dann erschießen sie vielleicht einen von uns.«
»Und das wäre ja wirklich eine Schande«, zischte Dow, »nachdem wir so weit gekommen sind.«
»Ruf uns, wenn du sie drauf vorbereitet hast, dass ein Grüppchen Nordmänner aus dem Wald kommt, ja?«
»Mach ich«, sagte West. Er zog das schwere Schwert aus seinem Gürtel und reichte es Dreibaum. »Das bewahrst du besser für mich auf.«
»Viel Glück«, sagte der Hundsmann.
»Viel Glück«, sagte Dow, dessen Lippen sich zu einem wölfischen Grinsen verzogen. »Wildzorn.«
Langsam kam West nun unter den Bäumen hervor und ging den Abhang hinunter auf den Bach zu. Seine gestohlenen Stiefel knirschten auf dem Schnee, und er hielt die Hände über den Kopf, um zu zeigen, dass er unbewaffnet war. Dennoch hätte er den Posten keinen Vorwurf gemacht, wenn sie ihn sofort erschossen hätten, denn inzwischen sah er, wie er sehr wohl wusste, durch und durch wie ein gefährlicher Wilder aus. Die letzten Fetzen seiner Uniform waren unter einer Schicht aus Pelzen und abgerissenen Tuchstreifen verborgen, die er sich mit Bindfaden um den Körper gewickelt hatte, und darüber trug er einen Mantel, den er einem toten Nordmann abgenommen hatte. Seit mehreren Wochen wucherte ein fusseliger Bart über sein schorfiges Gesicht, und seine vor Hunger und Erschöpfung eingesunkenen Augen waren gerötet und tränten ständig. Er sah aus wie ein Mann, der mit dem Rücken zur Wand steht, und er wusste, genau das war er auch. Ein Mörder. Der Mann, der Kronprinz Ladisla getötet hatte. Der schlimmste aller Verräter.
Einer der Wachposten
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