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Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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sah auf und entdeckte ihn, erhob sich stolpernd und kippte die zischende Pfanne ins Feuer, als er seinen Speer aus dem Schnee riss. »Halt!«, schrie er in verwaschenem Nordisch. Die anderen sprangen ebenfalls auf und griffen nach ihren Waffen, und einer machte sich schon mit klammen Fingern an der Sehne seines Flachbogens zu schaffen.
    West blieb stehen, Schneeflocken legten sich auf sein wirres Haar und auf seine Schultern. »Keine Sorge«, rief er in der Gemeinen Sprache zurück. »Ich bin auf Ihrer Seite!«
    Sie starrten ihn einen Augenblick an. »Das werden wir ja sehen!«, schrie einer. »Komm rüber über den Bach, aber ganz langsam!«
    Er ließ sich die Böschung hinunterfallen, sprang planschend ins Wasser und biss die Zähne zusammen, als ihn das eiskalte Wasser bis zu den Oberschenkeln umfing. Er kämpfte sich zum anderen Ufer, und die vier Wachen schlossen einen nervösen Halbkreis um ihn, die Waffen erhoben.
    »Behalte ihn im Auge!«
    »Es könnte eine Falle sein!«
    »Es ist keine Falle«, sagte West langsam, während er die verschiedenen Klingen beobachtete und ruhig zu bleiben versuchte. Ruhe bewahren, das war jetzt lebenswichtig. »Ich bin einer von Ihnen.«
    »Wo, zur Hölle, kommen Sie denn jetzt her?«
    »Ich war bei der Division von Prinz Ladisla.«
    »Bei Ladisla? Und dann sind Sie bis hierher zu Fuß gelaufen?«
    West nickte. »Ich bin gelaufen.« Die Wachposten entspannten sich allmählich, die Speerspitzen schwankten ein wenig und richteten sich nach oben. Sie waren fast so weit, ihm zu glauben. Immerhin sprach er die Gemeine Sprache, als ob er damit aufgewachsen sei, und er sah in der Tat so aus, als ob er einen derartig langen Fußmarsch durch die Wildnis hinter sich hatte. »Wie heißen Sie denn?«, fragte der mit dem Flachbogen.
    »Oberst West«, murmelte er mit brechender Stimme. Er fühlte sich wie ein Lügner, obwohl es ja stimmte. Nur war er inzwischen nicht mehr derselbe wie jener, der einst nach Angland aufgebrochen war.
    Die Wachposten tauschten besorgte Blicke. »Ich dachte, der sei tot«, murmelte der mit dem Speer.
    »Nicht ganz, mein Junge«, sagte West. »Nicht ganz.«
     
    Lord Marschall Burr brütete über einem Tisch, der über und über mit zerknitterten Landkarten bedeckt war, als West die Zeltplane des Eingangs beiseitezog. Im Schein der Lampen hatte er den Eindruck, als ob die Belastungen des Oberbefehls über die Truppen noch mehr an Burr gezehrt hätten. Er sah älter aus, bleicher, schwächer, Haar und Bart waren zerzaust und ungekämmt. Auch hatte er abgenommen, und seine zerknitterte Uniform hing schlaff an ihm, aber er kam West sofort mit dem vertrauten Schwung entgegen.
    »Oberst West, ist es denn die Möglichkeit! Ich hätte nie gehofft, Sie je wiederzusehen!« Er ergriff Wests Hand und drückte sie fest. »Ich bin so froh, dass Sie es geschafft haben. Verdammt froh! Ich habe Ihren kühlen Kopf hier wirklich vermisst, das sage ich Ihnen ganz offen.« Er sah West prüfend in die Augen. »Sie sehen erschöpft aus, alter Freund.«
    Das war nicht zu leugnen. West hatte nie zu den hübschesten Burschen im Agriont gezählt, das war ihm selbst durchaus bewusst, aber er war doch stets stolz darauf gewesen, ein ehrliches, freundliches, angenehmes Gesicht zu haben. Allerdings hatte er sich kaum wiedererkannt, als er in den Spiegel sah, nach dem ersten Bad seit Wochen, in einer geliehenen Uniform und endlich wieder glatt rasiert. Alles sah verändert aus, härter, ausgeblichen. Die hervorstehenden Wangenknochen hatten scharfe Konturen bekommen, das schüttere Haar und die Brauen waren eisengrau, das Kinn ausgemergelt und wölfisch. Zornige Falten hatten sich tief in die Haut der bleichen Wangen eingegraben, über der schmalen Nasenwurzel, in den Augenwinkeln. Die Augen waren das Schlimmste. Zusammengekniffen. Hungrig. Eisgrau, als ob sich die bittere Kälte in seinen Schädel hineingefressen hätte und dort noch immer lauerte, selbst jetzt, da ihm wieder warm war. Er hatte versucht, an alte Zeiten zu denken, zu lächeln und zu lachen, all jene Ausdrücke zu benutzen, die er früher auch benutzt hatte, aber mit diesem wie aus Stein gemeißelten Gesicht wirkte das idiotisch. Ein harter Mann hatte ihm aus dem Glas entgegengeblickt und wollte nicht wieder gehen.
    »Es war eine schwierige Reise, Herr Marschall.«
    Burr nickte. »Ja, das kann ich mir denken. Eine höllisch schwere Reise, noch dazu zur falschen Jahreszeit. Es war schon ganz gut, dass ich Ihnen diese Nordmänner

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