Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen
Thermoskanne
und übergießt ihn mit Wasser, das er nicht ganz zum Kochen gebracht hat. In
Gedanken ist er immer noch beim gestrigen Sonntag. Er war mit Anna von einem
langen Spaziergang aus dem Katinger Watt zurückgekommen, wo sie vom
hölzernen Naturbeobachtungsturm am Eidersperrwerk die Wasservögel beobachtet
hatten und bei Wilhelm * in Katingsiel gewesen waren, um in der Schankwirtschaft
Andresen einen Eiergrog zu trinken und Käsekuchen zu essen. Danach war die
Spannung zwischen ihnen kaum noch zu ertragen gewesen. Swensen hatte darauf
gehofft, dass sie das unumgängliche Gespräch endlich eröffnen würde und er sich
danach die befreiende Asche übers Haupt streuen könnte. Aber Anna war hart
geblieben. Schließlich hatte er es nicht mehr ausgehalten.
»Es
tut mir leid!«, war es aus ihm herausgebrochen.
»Jan,
so geht das nicht! Zumindest für mich geht das so nicht! Was ist so schwer
daran, mich wenigstens kurz anzurufen!«
»Das
ist manchmal einfach so! Erst diese Explosion und dann nehmen mich auch noch
die Leute vom BKA in die Mangel, ich war total geschafft, als ich endlich zu
Hause war!«
»Das
kann ich ja alles verstehen, aber ich hab langsam keine Lust mehr, ständig nur
verständnisvoll zu sein. Immer steht deine Arbeit im Vordergrund, ständig lässt
du mich sitzen …«
»Na,
immer und ständig, das ist jetzt aber übertrieben!«
»Lenk
jetzt nicht ab, darum geht es doch gar nicht.«
»Wieso,
na um was geht es denn?«
»Es
geht um unsere Beziehung!«
»Wieso,
mit unserer Beziehung ist doch alles in Ordnung.«
»Aber
ich steh immer nur an zweiter Stelle. Ich bin dir noch nicht mal wichtig genug,
dass du mich wenigstens kurz anrufst und mir sagst, dass es dir gut geht.«
»Quatsch
Anna, das stimmt doch gar nicht! Ich weiß auch nicht, warum das immer wieder
hakt.«
»Ich
glaub, du kannst dir gar nicht vorstellen, was ich mir für Sorgen gemacht hab.
Du warst jetzt schon das zweite Mal in Lebensgefahr! Ich hab einfach gemerkt,
wie sehr ich dich liebe …«
Danach
waren sie beide in Gedanken versunken zu Anna gefahren. Über der Kirche von
Witzwort war der fast runde Mond erschienen. Als Anna die Haustür
aufgeschlossen, ihn in den Flur gezogen und lange angeschaut hatte, war in
ihren Augen urplötzlich ein feines Sprühen sichtbar gewesen.
»Ich
würde dich gerne heiraten«, hatte sie völlig ohne Pathos gesagt und ihm gleich
einen Finger auf den Mund gelegt, bevor er noch irgendetwas sagen konnte. »Sag
jetzt nichts, Jan! Denk einfach mal in Ruhe darüber nach!«
Jetzt hat er den Satz im Kopf, den ganzen Morgen schon. Auf dem Weg zur
Frühbesprechung ist er so mit sich selbst beschäftigt, dass er nicht einmal
bemerkt, wie Püchel in sein Büro flüchtet, als er um die Flurecke biegt. An
seinem Platz am Konferenztisch gießt er sich einen Tee ein und wartet,
innerlich abwesend, bis Colditz den Startschuss gibt.
»Kollegen
und liebe Kollegin«, beginnt der mit gedrückter Stimme. »Dies hier soll in
keine Lobhudelei ausarten, aber die letzten Wochen waren eine harte und
gefährliche Zeit für uns alle. Wir haben eine gute Arbeit gemacht. Trotz der
weiterhin ungeklärten Tatsachen wurden unsere beiden Mordfälle, und das ist
eine Anordnung von ganz oben, als aufgeklärt eingestuft, deutlich daran zu
erkennen, dass unser BND-Schatten sich bereits auf dem Heimweg nach Pullach
befindet.«
Die
Ansprache wird durch massives Klopfen von Fingerknöcheln auf der Tischplatte
unterbrochen. Colditz kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.
»Trotz
des Erfolgs bleibt ein bitterer Beigeschmack. Die Mörder sind nicht eindeutig
überführt, was wohl auch so bleiben wird, wenn die letzten Spuren ausgewertet
sind. Wir können anhand der Indizien nur ein Puzzle zusammensetzen, bei dem am
Ende immer einige Teile fehlen werden. Ich will hier jetzt nicht mehr auf alle
Einzelheiten eingehen. Der internationale Terrorismus ist ein weites Feld, das
unsere Möglichkeiten bei weitem überschreitet. Die abschließende Auswertung
wird vom BND übernommen. Für uns bedeutet das, unsere Soko wird demnächst
aufgelöst!«
Ein
müdes Klatschen macht die Runde. Die Euphorie, die gewöhnlich nach Abschluss
eines Falles auf den Gesichtern abzulesen ist, scheint heute zwischen den
Stirnfalten eingeklemmt zu sein. Das unbefriedigende Ergebnis hat die Kollegen
gelähmt. Colditz sieht zu Swensen hinüber. Er rechnet damit, dass der etwas
sagt. Doch der Kommissar sieht durch ihn hindurch.
»Ich
will ja kein Fass
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