Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen
Buchstaben Restaurant Aphrodite . Am Heck
arbeitet ein Mann von der Spurensicherung. Neben der rechten Seitenscheibe
steht Michael Lade und schaut ins Innere. Da der Doktor nicht in Hektik
verfällt, scheint die Situation eindeutig zu sein. Der Mensch im Inneren muss
tot sein. Swensen tritt an Lade heran. Der spürt seine Anwesenheit und dreht
sich um.
»Der
Mann ist tot! Kopfschuss!«, beginnt er, ohne eine Frage abzuwarten. »Er hat die
Waffe an der linken Schläfe unter dem Haaransatz aufgesetzt. Da sieht man eine
Stanzmarke auf der Haut und eine dreistrahlige Platzwunde an der Schläfe.
Klarer Befund für einen Nahschuss. Wenn du mich fragst, sieht das verdammt nach
Suizid aus!«
Swensen
wirft einen knappen Blick durch das Seitenfenster. Da sitzt nicht der Mann, den
er erwartet hat. Der Körper liegt nach vorn gebeugt mit dem Gesicht auf dem
Lenkrad. Ein Blutschwall ist seitwärts hinuntergelaufen und verkrustet. Am
Innendach ist ein riesiger Blutfleck, alles ist voller Blutspritzer. Die beiden
Arme hängen gerade hinab. Die linke Hand krallt sich um eine kleine Pistole.
Der Kommissar geht um den Wagen herum. Von hier aus sieht er rechts unterhalb
der Scheitelhöhe ein großes Ausschussloch klaffen. Neben dem Mann auf dem
Beifahrersitz liegt ein beschriebener Zettel.
»Na,
wie sieht es aus?«, hört er Colditz Stimme. Swensen hebt den Kopf und sieht,
wie Lade den Flensburger auf der anderen Wagenseite begrüßt.
»Blutig!«,
ruft der Kommissar den beiden Männern zu. »Dürfte sich erschossen haben. Wenn
du auf deiner Seite reinschaust, siehst du, dass der Mann so ’ne
Westentaschenpistole in der Hand hält, wahrscheinlich ’ne Walther PPK !«
»Diese
aus den Bond-Filmen?«, ruft Colditz zurück.
»Keine
Ahnung! Ich kenn keine Bond-Filme!«
»Ehrlich?«,
fragt Colditz kopfschüttelnd und sieht durch die Seitenscheibe.
»Kommt
bitte mal hier rüber! Auf dem Beifahrersitz liegt wahrscheinlich ein
Abschiedsbrief!«, ruft Swensen und winkt Colditz und Lade herüber.
»Ich
kann nicht lesen, was drauf steht, scheint aber d eutsch zu sein«, sagt Colditz, nachdem er ins Innere
geschaut hat.
»Ich
konnte es auch nicht entziffern«, bestätigt Swensen. »Die Schrift ist einfach
zu krickelig, um sie über Kopf zu lesen.«
»Können
Sie bitte erst diese Seitentür fertig machen?«, ruft Colditz dem Spurensicherer
an der Heckklappe zu. »Wir würden gern an den Zettel ran, der da drinnen
liegt.«
Ein
Mann im weißen Overall kommt mit seinem Köfferchen zur Autotür. Während die
beiden Kommissare ungeduldig hinter ihm stehen, verteilt er mit dem
Fehhaar-Pinsel Rußpulver auf dem Türgriff und nimmt mit mehreren
Klarsichtklebefolien die Fingerabdrücke ab. Er öffnet mit Latexhandschuhen die
Tür und nimmt vorsichtig das Papier vom Beifahrersitz.
»Türkisch
Soldat ermorden mein Schwester und Mann von Schwester.«, liest er mit Mühe das
holprige Deutsch. »Ich abschlagen Mordhand und werfen zu den Türken. Soldat
dann weg in Wasser. Er in Hölle nun. Ich mein Rache haben und jetzt nix mehr
leben wollen. Nicht wollen Gefängnis!«
Swensen
geht in die Knie, um sich das Gesicht, das über dem Lenkrad liegt, von unten
anzusehen. Er hat den Mann noch nie gesehen.
»Deine
Intuition war wohl doch richtig, Jan!«, hört er die Stimme von Colditz im
Rücken. Swensen dreht sich um und schaut den Kollegen verwirrt an. Sein Kopf
ist leer.
War
er einem Phantom aufgesessen? Hatten seine Vorstellungen ihm eine falsche
Wirklichkeit vorgegaukelt?
Der
Mann, den er die ganze Zeit verdächtigt hatte, war offensichtlich doch
unschuldig. Er weiß nicht mehr, was er denken soll.
*
Das klobige Eisentor schiebt sich in der Mitte langsam nach beiden Seiten
auf. Oberst Gustav Obermayr gibt Gas und steuert seinen BMW auf das Gelände. Er
ist unausgeschlafen und er fühlt ein Kratzen im Hals. Eine Erkältung dürfte im
Anmarsch sein. Zum Glück ist sein Dienstparkplatz direkt vor dem Eingang zum
Haus 114. Abteilung 3, technische Aufklärung, hat den modernsten Gebäudekomplex
der Behörde. Die 1.450 Mitarbeiter gelten als die ›Superlauscher der Nation‹,
und ihre technische Ausstattung gehört mittlerweile zum Feinsten. Dass er daran
mitgewirkt hat, darauf ist Obermayr besonders stolz. Er benutzt auch heute die
Treppen bis ins dritte Stockwerk, obwohl er gesundheitlich angeschlagen ist.
Seit
einundzwanzig Jahren gehört er jetzt der Bundeswehr an, acht Jahre davon
arbeitet er hier beim Bundesnachrichtendienst. Mit
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